Tragikomödie: Sonne, Meer, Enttäuschung
Bei Doris Dörrie prallen alte Hippie-Träume und Sehnsucht nach Familie aufeinander.
Düsseldorf. Doris Dörrie hat sich den Ruf erarbeitet, in einer immer noch von Männern dominierten Branche die erfolgreichste Frau zu sein: Sie gilt als Vorzeige-Frau im deutschen Regie-Fach, schaffte den Durchbruch in den 80er Jahren mit „Männer“.
Ihr neuer Film „Alles inklusive“ — basierend auf ihrem gleichnamigen Buch von 2011 — dreht sich um Eltern und Kinder, Hippies und Spießer, All-inclusive-Tourismus und das Leid von Flüchtlingen — und die verzweifelte Suche nach Liebe und Geborgenheit.
Darin spendiert die Münchnerin Apple (Nadja Uhl) ihrer Mutter Ingrid (Hannelore Elsner) mit berechnender Gemeinheit einen Pauschalurlaub im zubetonierten Torremolinos. Im längst nicht mehr idyllischen Hippie-Paradies ihrer Jugend soll sich Ingrid von einer Hüft-OP erholen, weil die Reha zu teuer wäre, und ein bisschen leiden, weil die Tochter ihr immer noch die chaotische Kindheit nachträgt.
Unterdessen überschüttet Apple ihren Hund Dr. Sigmund Freud mit Liebe und Fürsorge, ringt mit ihrer Neigung zu fiesen Männern und vor allem mit sich selbst. „Was mich an dieser Geschichte interessiert, ist der Umgang der Hippie-Generation und der Tochter-Generation miteinander“, sagt Regisseurin Dörrie. „Und weil ich zu keiner der beiden gehöre, erlaubt mir das vielleicht einen etwas objektiveren Blick.“
Diesen scharfen, gleichzeitig liebevollen Blick richtet Dörrie auch auf das Phänomen des All-inclusive-Tourismus. Gedreht wurde unter anderem direkt in einem Hotel in Torremolinos — mit echten Touristen als Statisten. Ingrid trifft dort auf den singenden und fußpflegenden Transvestiten Tim/Tina (Hinnerk Schönemann) und den Krankenpfleger Helmut (Axel Prahl), der ein Urlaubs-Techtelmechtel sucht.
Dörrie hat einen feinen Sinn für die Absurditäten des Lebens im Hotelbunker, macht aber niemanden lächerlich. „Helmut hat zu Hause ein kompliziertes, sehr anstrengendes Leben mit einer pflegebedürftigen Mutter — und dann diese sieben oder zehn Tage All-inclusive-Urlaub. Über seinen dicken Bauch, seine Badehose oder seine bemüht gute Laune die Nase zu rümpfen — das finde ich unmöglich.“
Der Film beginnt als leichtfüßige Komödie, wandelt sich aber fast unmerklich zu einer tragischen Familiengeschichte. Dabei gelingt Dörrie das Kunststück, diese Kehrtwendung ohne Bruch zu vollziehen. „Alle raten einem davon ab, diese Mischung zu versuchen“, sagt die Regisseurin, „aber ich möchte die Dinge einfach so ambivalent — so komisch und so melancholisch — erzählen, wie sie nun mal wirklich sind.“
Wertung: 4 von 5 Sterne