TV-Film „Schuld sind immer die Anderen“ - Man sieht sich immer zweimal

„Schuld sind immer die Anderen“ erzählt differenziert von einer Wiederbegegnung von Opfer und Täter.

Düsseldorf. Eva wird überfallen. Zwei maskierte Männer stürzen in ihr Auto, als sie an einer Ampel wartet. Einer hält ihr ein Messer an die Kehle, durchsucht ihr Portemonnaie, steckt Familienfotos ein. Die Männer zwingen sie, zu einem Geldautomaten zu fahren. Eva muss 500 Euro abheben, einer der Täter rastet aus, schlägt und tritt auf sie ein. Eva bleibt auf der Straße liegen, die Männer rasen mit ihrem Wagen davon. Der Überfall wird nicht aufgeklärt, aber wir Zuschauer wissen: Der Schläger ist Ben, ein beängstigender Junge, bei dem jede Hoffnung verloren scheint. Jeder Blick, jede Bewegung, jedes Wort signalisieren die Bereitschaft zur Gewalt. Wie Trophäen, vielleicht auch wie Postkarten aus einer ihm fremden Welt, sammelt er die privaten Fotos seiner Opfer.

Ben nutzt im Knast das Angebot, sich bei einer besonderen Einrichtung im freien Vollzug zu bewähren. Im „Waldhaus“ leben junge Straftäter mit einer Sozialarbeiter-Familie zusammen — mit der Pflicht, sich den eigenen Taten zu stellen. Als die „Hausmutter“ von einer Kur zurückkehrt, ist Ben wie vom Donner gerührt. Es ist Eva, die wiederum weiß nicht, dass sie nun mit ihrem Peiniger unter einem Dach lebt. Noch nicht.

Der Film „Schuld sind immer die Anderen“ führt mitten hinein in die Frage nach Schuld und Sühne. So intensiv, differenziert, reif und überzeugend, dass man staunen möchte, was im Fernsehen möglich ist. Das vielleicht Erstaunlichste: Es ist sowohl für Drehbuchautorin Anna Maria Praßler, geboren 1983, als auch für Regisseur Lars-Gunnar Lotz, geboren 1982, das Langfilm-Debüt.

Ein simples „Alles wieder gut“ gibt es am Ende nicht, im Gegenteil. Dennoch ist der Film ein Plädoyer dagegen, junge Gewalttäter einfach wegzusperren. Das reale Vorbild für das „Waldhaus“ war für Praßler und Lotz das Seehaus Leonberg, ebenfalls eine Einrichtung des freien Vollzugs. Er wolle zeigen, was es bedeute, sich für junge Gewalttäter einzusetzen und sie dabei intensiv mit ihren Taten zu konfrontieren, sagt Lotz. „Ich wollte eine Geschichte erzählen, die solche Jungs nicht aufgibt, sondern an sie glaubt.“

„Schuld sind immer die Anderen“, Arte, Freitag 22.40 Uhr