"Von einem der auszog": Wenders Wortlosigkeit

Premiere: Der Film „Von einem der auszog“ von Marcel Wehn dokumentiert die frühen Jahre der Karriere des Filmemachers. Er endet mit dessen Umzug in die USA.

Düsseldorf. Nach dem Thema seiner Filme befragt, schweigt Wim Wenders erst einmal in der ihm eigenen Art: Er blickt nach unten, seine Lippen bewegen sich bereits, als formuliere er Sätze vor, die sich schwer tun, tatsächlich gesprochen zu werden. Nach unendlich lang wirkenden Sekunden kommt die Antwort: "Wie soll man leben, ist die Grundfrage in allen Filmen - und wofür lebt man?" Gibt man dem grüblerischen Filmemacher Zeit, kommen seine Ansichten präzise und pointiert. Das haben alle seine Wegbegleiter lernen müssen - was der neue Dokumentarfilm "Von einem der auszog" anschaulich belegt.

Der junge Regisseur Marcel Wehn hat sich für seinen Abschlussfilm an der Filmakademie Badem-Württemberg Wim Wenders frühe Jahre vorgenommen und sie in Relation zu seinem Werk gesetzt: von der Geburt 1945 in Düsseldorf über die Schuljahre in Oberhausen, die Studienzeit in Paris und München bis zu seinem Umzug in die USA. Hier endet die sehenswerte Doku, die neben Wenders selbst ein Dutzend Wegbegleiter zu Wort kommen lässt. Etwa Peter Handke, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verbindet, oder Bruno Ganz, der Wenders "Art mehr beeindruckt als seine Arbeit". "Ist ja doch ein ziemlich bekloppter Typ", bescheinigt Schnittmeister Peter Przygodda seinem Regisseur liebevoll.

Das verbindende Element der Dokumentation ist Wenders selbst, der durch eine Fotoausstellung seines Lebens wandert und Orte und Menschen kommentiert. Man erfährt über das wortkarge Elternhaus, über den dominanten Vater, einen Arzt, dem Wenders mit einem Medizinstudium zunächst nacheifern wollte, über die unterwürfige Mutter und den Bruder. Interessant sind Wenders frühe Filme, die er mit Super 8 drehte und die bereits seine Vorliebe für lange Einstellungen verraten.

Seine erste große Liebe kommt genauso zu Wort wie viele nachfolgenden Frauen, die mit Wenders zusammenlebten und über sein schwieriges Verhältnis zum weiblichen Geschlecht berichten: die Schauspielerin Lisa Kreuzer, die Illustratorin Edda Köchl-König und natürlich Donata Wenders, seine um einige Jahre jüngere Ehefrau, die als Fotografin alle seine Dreharbeiten dokumentiert. Sie scheint das perfekte Gegenstück zu dem manchmal wortlosen Regisseur zu sein: Eloquent und charmant gibt sie Einblicke in die Seele des Melancholikers und stellt Bezüge zu seinen Filmen her. Denn alle seine Werke zeigen letztlich "die Unfähigkeit, sich auszudrücken. Dadurch entsteht das Unglück", meint sie. Wenders Schweigen habe "etwas Autistisches", aber sie habe gelernt, damit zu leben.

Dass Wenders Wortlosigkeit durchaus eine gewisse Sturheit beeinhaltet, merkt man ebenfalls bei dieser Doku. Denn trotz aller Suche nach dem richtigen künstlerischen Ausdruck - zwischendurch wollte Wenders Maler werden - ist er immer beharrlich seinen Weg gegangen und hat Dinge so gemacht, wie er sie für richtig hielt. Dazu gehört eben auch, seine Filme teilweise unendlich langsam und ohne Worte zu erzählen. Eine Eigenart, die sich von seinem ersten Kurzfilm "Alabama" letztlich bis heute zeigt. Doch nicht so sehr das Werk steht im Vordergrund dieser Doku, sondern der Mensch Wim Wenders. Und dem kommt der junge Regisseur mit seinen zurückhaltenden, aber beharrlichen Fragen aus dem Off oft sehr nah. So erfährt man von Zerwürfnissen, Nah-Tod-Erfahrungen durch Haschplätzchen und was Schauspieler an Wenders schätzen: "seine Fähigkeit zu erkennen, wie man ist" (sagt Rüdiger Vogler, der mit ihm "Alice in den Städten drehte").

Wertung: 4 von 5 Sternen

Der Film "Von einem der auszog" läuft ab Donnerstag in der Düsseldorfer Black Box, Schulstraße 4, Tel. 0211/69531180.

Vita Wim Wenders wurde am 14.August 1945 in Düsseldorf geboren. Seine Heimatstadt verlieh ihm 2004 den Käutner-Preis. Er studierte an der Filmhochschule in München.

FrüheFilme (Auswahl) "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" (1972), "Alice in den Städten" (1974), "Falsche Bewegung" (1975), "Im Lauf der Zeit" (1976).

USA 1977 ging er auf Einladung von Francis Ford Coppola nach Amerika.