Von Halle nach Hollywood - Deutsche Produzenten beim Oscar

Neben Oscar-Kandidat Wim Wenders hoffen auch deutsche Produzenten aus Halle und Berlin auf eine Trophäe. Sie haben den polnischen Film „In Darkness“ auf die Beine gestellt.

Hollywood (dpa) - Von Halle nach Hollywood war für den deutschen Filmproduzenten Steffen Reuter ein langer und beschwerlicher Weg. „Wir sind mit einer sehr willensstarken Regisseurin und einem sehr schwierigen Thema ein großes Risiko eingegangen“, erzählt der schlaksige Geschäftsführer vom Schmidtz Katze Filmkollektiv mit Standorten in Berlin und Halle (Saale) der Nachrichtenagentur dpa. Das könnte sich am Oscar-Sonntag mit Gold bezahlt machen.

Zwei Tage vor der Preisverleihung steht der 39-Jährige mit seinem Kollegen Marc-Daniel Dichant (41) in Hollywood vor dem Eingang zu dem Saal, wo der von ihnen produzierte Film „In Darkness“ den Auslands- Oscar für Polen gewinnen könnte. Eine riesige Oscarstatuette steht schon parat, der rote Teppich ist ausgerollt.

„Wir haben den Film gestemmt und größtenteils mit deutschen Mitteln finanziert, aber er hat eine polnische Identität“, sagt Reuter über das Holocaust-Drama der polnischen Regisseurin Agnieszka Holland (64), die sich nach „Bittere Ernte“ und „Hitlerjunge Salomon“ damit ihre dritte Oscar-Nominierung holte. „In Darkness“ erzählt die wahre Geschichte des polnischen Kanalarbeiters Leopold Socha, der 1939 in dem von Nazis besetzten Lvov (Lemberg) eine Gruppe von Juden über Monate hinweg in der Kanalisation versteckte.

Die deutschen Schauspieler Benno Fürmann, Maria Schrader und Herbert Knaup haben tragende Rollen. In Koproduktion mit dem Filmstudio Babelsberg wurden etwa zwei Drittel des Streifens in Deutschland gedreht. Mehr als zehn Drehbücher und sechs Produktionsjahre waren nötig, um das Projekt auf die Beine zu stellen. Eine der vielen filmischen Hürden: Das Überlebensdrama spielte sich in einem engen, dunklen Abwasserlabyrinth ab.

„Wir nehmen das Publikum zweieinhalb Stunden lang runter in die Gedärme der Stadt in die Kanalisation“, erzählt Dichant bei strahlendem Sonnenschein in Hollywood. „Es ist kein intellektueller Film, der noch einmal informativ über den Holocaust aufklärt, es ist vielmehr ein zutiefst sinnlicher Film“. Viele der klaustrophobischen Szenen wurden „in einer Art Muschelkonstruktion mit verschlungenen Gängen“ in einer großen Halle in Leipzig gedreht.

Der kanadische Drehbuchautor David Shamoon hatte die deutschen Produzenten 2006 für das Projekt gewonnen, dann kam Agnieszka Holland an Bord. Reuter machte sich dafür stark, dass er Film in den Originalsprachen jiddisch, deutsch, ukrainisch und in einem alten polnischen Dialekt gedreht wurde. Regisseurin Holland sprach am Freitag am Rand des roten Teppichs dem deutschen Team ein großes Lob aus. „Ich bin den deutschen Produzenten unglaublich dankbar, dass sie und auch die deutschen Geldgeber an das Projekt geglaubt haben“, sagte die gebürtige Warschauerin der dpa. „Ohne die jungen und ehrgeizigen Deutschen wäre der Film nie zustande gekommen“, pflichtete der polnische Koproduzent Juliusz Machulski bei.

Eine Eintrittskarte zu den Oscars als Belohnung gibt es für das deutsche Team aber nicht. Die Plätze sind knapp. Mit Holland und zwei polnischen Hauptdarstellern wird die Zeitzeugin Krystina Chiger an der Oscar-Verleihung teilnehmen. Die jetzt 76-jährige Jüdin hatte als kleines Mädchen mit ihrem Bruder und ihren Eltern 14 Monate in der Kanalisation überlebt.

Steffen Reuter rechnet dem Film gute Chancen aus. „Es wäre blöd, wenn wir als Produzenten, die sechs Jahre für diesen Film gekämpft haben, nicht daran glauben, dass wir den Oscar gewinnen können“.

In zehn Jahren hat das Schmidtz Katze Filmkollektiv ein Dutzend Spielfilme produziert. Zu den neuen Projekten zählt der englischsprachige Streifen „Die schwarze Kunst“ über Johannes Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks. Bei der kurzen Oscar-Visite in Hollywood stehen viele Termine auf dem Programm. Und es gibt Wünsche: „Ich würde gerne mit dem Regisseur Marc Forster und mit Sean Penn arbeiten, für den hätten wir eine ganz tolle Rolle“, sagt Reuter.

Urlaub nach den Oscars ist nicht drin. „Keine Chance“, meint Dichant. „Am kommenden Wochenende haben wir gleich die nächste Sondervorführung von 'In Darkness' im Filmmuseum Frankfurt mit der jüdischen Gemeinde“. Vielleicht ist der Oscar als Begleiter dabei.