Weltpremiere für Spielbergs „Tim und Struppi“

Brüssel (dpa) - Belgiens Kritiker wetzten ihre Messer. Hollywood verfilmt „Tim und Struppi“? Europas Comic-Erbgut in amerikanischen Kommerz-Händen? Eine Entweihung des großen Zeichners Hergé wurde befürchtet.

Doch dann ließ Steven Spielberg Filmjournalisten in „Tims Heimatstadt“ Brüssel sein neuestes Mammutprojekt vorab sehen. Und rasch war klar: „Indiana Jones“-Schöpfer Spielberg und seinem neuseeländischen Projektpartner Peter Jackson („Der Herr der Ringe“) ist nichts geringeres gelungen als die stilechte Auferstehung einiger der beliebtesten Comic-Kultfiguren aller Zeiten in 3D.

So kann der Regisseur bei der Weltpremiere von „Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der "Einhorn"“ an diesem Samstag in Brüssel als Strahlemann über den roten Teppich schreiten. Ihm sei ein „Volltreffer“ gelungen, befand die belgische Zeitung „De Standaard“. Hergés Erbe sei bestens bewahrt worden, bescheinigte „Le Figaro“. „Wir dachten, der Film würde zu amerikanisch“, räumte das französische Blatt ein. So habe man erwartet, dass der ewig angetrunkene Tim-Freund Kapitän Haddock wegen US-typischer „politischer Korrektheit“ nicht als Alkoholiker gezeigt wird. Doch keine der vielen Befürchtungen habe sich bewahrheitet.

Zur Begeisterung von Kritikern und Comic-Experten trug maßgeblich die perfekte Fusion von realem Schauspiel und digitaler Animation bei. Dank der sogenannten Performance-Capture-Technik aus Jacksons Digitalschmiede Weta wirken alle Darbietungen - von „Billy Elliot“-Star Jamie Bell als Tim bis zu der von „Mr. Bond“ Daniel Craig als Schurke Sakharin - wirklich wie im Comic-Heft und doch zugleich wie aus dem realen Leben.

Zudem verneigte sich Spielberg - er hatte die Filmrechte schon vor Jahren von der Witwe des 1983 gestorben Hergé bekommen - mehrfach in erkennbarer Ehrfurcht vor dem Comic-Star, der den Belgiern als „nationales Kulturgut“ gilt. „Am wichtigsten war uns, Hergé zu ehren und so genau wie möglich seinem einzigartigen Sinn für Farbskalen und die Abbildung von Figuren zu entsprechen“, gab der Regisseur zu Protokoll. In den Zeichnungen stecke enorme kinetische Energie. „Es ist, als habe er versucht, 24 Bilder in eine einzige Einstellung zu pressen - und zwar erfolgreich. Das war, wie ich finde, das Genie von Hergé.“

So wird das Premierenwochenende mit Roter-Teppich-Shows in Brüssel und danach in Paris ein einziges großes Fest für „Tintinologen“ aus aller Welt. So nennen sich Fans des jungen Abenteuer-Reporters Tim nach dessen Namen Tintin in Hergés Originalfassung. Dass am selben Wochenende Angela Merkel und andere europäische Staatenlenker in Brüssel einmal mehr versuchen, den Euro zu retten, wird die „Tim und Struppi“-Fete nicht stören. „In diesen unruhigen Zeiten ziehen wir uns gern mal in eine andere Welt zurück“, sagt ein weißhaariger Tim-und-Struppi-Fan aus Köln.

Dafür bietet Brüssel ein Programm nach dem Motto „Tintin total“. Von Hochseilakrobatik vor einem großen Tintin-Fresko am Place de Brouckère über Führungen zu allen Ecken der Stadt, die in den Comic-Alben vorkommen, und natürlich zum Wohnhaus von Hergé, bis zu etlichen Gastronomie-Angeboten mit Tintin-Thematik. Auch ein Oldtimer-Korso mit Originalen von Autos, wie sie Hergé einst für seine Alben detailgetreu zeichnete, gehört dazu. Und schließlich die Abfahrt des „Tintin-Express“ mit Filmcrew und Promi-Gästen zum Weiterfeiern in Paris.

Spielberg dürfte der von Europa ausgehende Tintin-Rummel ganz recht sein. Für Amerika wurde der Kinostart bewusst verzögert. Während sich der Hype weltweit entfaltet, müssen Fans in den USA sich bei stetig wachsender Spannung bis kurz vor Weihnachten gedulden. Dafür könnten „Tim und Struppi“ dann aber bis mindestens zum Jahresende die US-Kino-Charts anführen. Wie jeder in Hollywood weiß, ist dies die beste Zeit, um ordentlich die Trommel für die Oscar-Verleihung im kommenden Frühjahr zu rühren.

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