Wim Wenders im Interview: „Um mich geht es dabei nicht“
Wim Wenders über seinen Film „Pina“, den Zauber ihrer Arbeit und die „wunderschöne kleine Stadt Wuppertal“.
Herr Wenders, ein wahrer Medienrummel ist um Ihren Film „Pina“ ausgebrochen, Sie haben vor und auf der Berlinale unzählige Interviews gegeben. Wie geht es Ihnen dabei?
Wenders: Meine Stimme wundert sich, warum ich so viel rede, und ist ein bisschen heiser, aber mir geht’s gut. Ich freue mich, über den Film zu reden und dass er so schön aufgenommen wird. Es macht viel mehr Spaß, damit zu reisen, wenn man weiß, dass die Leute etwas davon haben. Und der Sinn des Films war ja, dieses herrliche Theater in die Welt zu tragen und es den Leuten zu zeigen, die es noch nicht sehen konnten.
Pina Bauschs Wunsch war es, ihr Werk durch diesen Film aufzubewahren. Aber es existieren bereits 7.500 Videobänder mit Aufführungen und Probe-Mitschnitten. Was hat sie in der Zusammenarbeit mit Ihnen darüber hinaus erwartet?
Wenders: Sie war nicht zufrieden mit den Aufzeichnungen. Sie hat jeden Abend aufgezeichnet, jede Aufführung, aber eher um nachzuprüfen, was man noch korrigieren muss. Sie fand, dass der Zuschauer bei den Aufzeichnungen — auch bei denen fürs Fernsehen — draußen bleibt. Sie hoffte, dass ich anders an den Kern ihrer Arbeit herankäme. Aber mein Handwerk hatte auch keinen richtigen Zugang zu dem Geheimnis, was entsteht, wenn es live gespielt wird. Zu dieser Körperlichkeit und dem Zauber, so dass man selbst physisch dabei ist. Dass es einen angeht.
Sie nehmen sich selbst als Regisseur hier sehr zurück, stellen sich und Ihr Können ganz in den Dienst einer anderen Kunst und der Künstlerin Pina Bausch. Ist Ihnen das leicht gefallen?
Wenders: Deshalb ist der Dokumentarfilm ja so ein schönes Medium, weil man etwas anderes so schön aussehen lassen kann, wie möglich. Bei „Buena Vista Social Club“ fand ich die Musik der alten Herren so einmalig, und ich dachte, die haben es unbedingt verdient, dass die Welt sie kennenlernt. Da ging es darum, den Zugang zu den Herren so pur wie möglich zu finden. Und bei Pina war es die Schönheit ihrer Arbeit, die ich den Menschen einzigartig nahe bringen wollte. Um mich oder meine Meinung geht es dabei nicht.
Sie haben mit den Tänzern auch draußen in Wuppertal gedreht, im botanischen Garten, in der Schwimmoper, in der Schwebebahn. Das war nicht Pinas, sondern Ihre Idee.
Wenders: Das ist, wenn Sie so wollen, mein einziger kreativer Input. Auf diese Art konnte auch die wunderschöne kleine Stadt Wuppertal mitspielen, die Pina 30 Jahre inspiriert hat. Ich habe Orte gesucht, die das, was getanzt wurde, am besten rausbringen. Ich kenne die Gegend gut, ich habe einen meiner ersten Filme dort gedreht, Alice in den Städten, und ich mag vieles sehr gern, was es in Wuppertal, im Umland und im Ruhrgebiet gibt. Ich bin auch stolz, dass Zuschauer aus dem Ausland staunend fragen: Wo habt ihr denn das gefunden? Wo ist denn das? Und ich sage dann: Ich weiß, so stellt ihr Euch das nicht vor, aber so toll kann das hier aussehen.
Pina Bausch hat immer gesagt: Wuppertal ist keine Sonntagsstadt, da gehen Leute zur Arbeit und stehen morgens frierend an der Bushaltestelle. Das hat sie inspiriert.
Wenders: Genau. Und an so einer Haltestelle, auf einer Kreuzung, haben wir auch gedreht. Man muss sagen, dass Wuppertal auch sehr hässlich aussehen kann. Aber nur da konnte ihr Werk entstehen. Nicht in Paris, London oder New York. Nur in Wuppertal konnte sie so ungestört und konzentriert mit der Familie aus 30 Tänzern radikal ihre Studien betreiben.
Wie man hört, bleiben Sie der Bühnenarbeit treu. Sie sollen 2013 den Ring in Bayreuth inszenieren. Haben Sie den Vertrag inzwischen unterschrieben?
Wenders: Es ist noch nicht ganz so weit. Ich träume zwar schon davon, ich arbeite daran, aber wir haben das noch nicht unterschrieben. Bei so einer gewaltigen Arbeit muss man sicher sein und sich absprechen, damit man weiß, was der andere machen will, und man die Freiheiten hat, die man haben muss. Bevor das nicht abgesichert ist, will ich mich nicht zu sehr freuen.