Zwei Männer im Drogenkrimi

US-Regisseur Oliver Stone über Drogen, Drehen und seinen neuen Film mit John Travolta.

Herr Stone, was für einen Sticker tragen Sie da am Revers?

Oliver Stone: Meine Freundin.

Aha?

Stone (lacht): Ich mag sie. Die Russin Valentina Tereschkowa war die erste Frau im All, direkt nach Gagarin.

Kein Wahlkampfsticker also — aber Sie haben bestimmt eine Idee, wie die US-Wahlen im November ausgehen.

Stone: Ich hoffe, dass Obama gewinnt. Denn mit Romney gehen wir zurück in die Bush-Ära: Am ersten Tag kommt die Devisenkontrolle für China, am zweiten Tag wird er vielleicht die Beziehungen zu Russland abbrechen und am dritten den Iran angreifen. Und das ist erst der Anfang.

Aber von der ersten Amtszeit Obamas sind doch viele Amerikaner enttäuscht, Sie nicht?

Stone: Doch, das sind wir alle. Er hat den Krieg gegen den Terror fortgeführt in einer Weise, die ihn noch gefährlicher macht. Wir haben die Festnahme von US-Bürgern auf Verdacht und auf unbestimmte Zeit jetzt institutionalisiert. Obama hat mal gesagt: Niemand steht über dem Gesetz. Daran hält er sich aber nicht.

In Ihrem Film „Savages“ geht es um Drogenhandel in Mexiko und Kalifornien. John Travolta spielt einen korrupten Drogenfahnder, der den Krieg gegen die Drogen mit den Kriegen in Irak und Afghanistan vergleicht. Zu Recht?

Stone: Er hat absolut recht. Er sagt: Krieg bringt Geld. Und Amerikas Krieg gegen die Drogen wird wegen des Geldes geführt. Immer, wenn man einen Krieg erklärt, geht es zuerst ums Geld, dann um die Toten. Und sowohl der Krieg gegen die Drogen, den Nixon 1972 begonnen hat, als auch der Krieg gegen den Terror werden nie enden, weil zu viele Leute, zu viel Geld und zu viele Behörden involviert sind.

Film ist Fiktion, aber was Sie zeigen, ist auch viel Realität — Sie haben lange recherchiert. Der Drogenkrieg in Mexiko fordert viele Opfer.

Stone: Ja, besonders bei der armen Bevölkerung. 50 000 Tote in Mexiko, darunter viele Unschuldige, seit Ex-Präsident Calderon 2006 das Militär eingesetzt und den Kartellen den Krieg erklärt hat. Aber das funktioniert nicht, es gibt noch mehr Tote, viele Kollateralschäden. Aber wer sind die ermordeten Fabrikarbeiterinnen an der Grenze zu den USA, die einfach umgebracht werden? Dafür interessiert sich niemand.

Würden Sie den Drogenhandel denn einfach laufen lassen?

Stone: Wir müssten zurück ins Jahr 1972, und Nixon abschaffen (lacht). Er hat damals mit der „war on drugs“-Kampagne („Krieg den Drogen“) die gesamte junge Bevölkerung kriminalisiert. Unser Gefängnisapparat wächst und wächst, viele Minderjährige sitzen ein. Das ist auch ein Weg, die Innenstädte und die schwarze Bevölkerung zu kontrollieren. Aber es hat nichts genützt.

Sie haben aus Ihrem Drogenkonsum nie einen Hehl gemacht. Sind Sie auch für eine Legalisierung bestimmter Drogen?

Stone: Ja, das bin ich. Es wird ja medizinisch kontrolliert, und es schadet nicht. Marihuana, damit handeln die beiden Jungs in meinem Film, macht nicht süchtig wie etwa Kokain. Ich mag es, aber ich kann auch gut ohne leben. Ich bin doch das lebende Beispiel: 66 Jahre alt, ich hab meine Filme gedreht, eine Familie gegründet, ich zahle Steuern. Ich bin ein produktives Mitglied der Gesellschaft. Und nicht verrückt — verrückt sind andere. Wie George W. Bush, der 1968 mit mir in Yale war: Ich hätte nie einen Krieg mit der Welt angefangen.

Wie schwierig war es, diesen Film finanziert zu bekommen?

Stone: Ich habe das Buch „Savages“ (deutscher Titel: „Zeit des Zorns“) von Don Winslow von meinem Geld gekauft, weil ich wusste, dass die Studios auf diese Themen nicht anspringen würden: Drogen, Sex, Gewalt, eine Frau lebt mit zwei Männern in Amerika — keine Chance. Nur ein einziges Studio hat unser Drehbuch schließlich akzeptiert. Ich habe immer die Filme gedreht, die ich drehen wollte. Ich habe mich nie verkauft. Sehr zu meinem Leidwesen manchmal (schmunzelt). Aber es ist viel zu mühsam, einen Film zu drehen, als dass man sich während der ganzen Zeit unglücklich fühlen möchte. Ich weiß nicht, ob es das wert wäre.