James Bond: Die Welt wird ihm zu viel
James Bond wird in „Skyfall“ zum tragischen Helden — eine ordentliche Fallhöhe. Regisseur Mendes schafft die Punktlandung.
Düsseldorf. Russen? Chinesen? Araber? Kriminalität funktioniert bei Bond nicht mehr in geografischen Clustern. Sicher ist nur: Die Schurken sind wehrhaft wie eh und je, ballern mit Schnellfeuerwaffen um sich und machen auf dem Dach eines fahrenden Zuges im erbitterten Nahkampf mit 007 eine fesche Figur. Wer schert sich da noch um Nationalitäten?
Die britische Regierung auf jeden Fall nicht. Den Geheimdienst in seiner jetzigen Form hält die Innenministerin (Helen McCrory) für überkommen. Schurkenstaaten, Diktatoren — alles von gestern, schnauzt sie die MI6-Chefin M (Judi Dench) an. Als Auslaufmodell muss M um ihren Job fürchten. Der Vorsitzende des Sicherheitsrats (Ralph Fiennes) legt ihr den freiwilligen Rückzug nahe. „Ich gehe, wenn der Job getan ist“, sagt sie trotzig.
In „Skyfall“, dem 23. Bond, gerät das altbekannte Gefüge endgültig ins Wanken. Bereits Daniel Craigs erster Einsatz vor sechs Jahren war eine Abkehr von den genüsslichen Klischees, die 007 zum knalligen Pin-up des Kalten Krieges werden ließen. Mit Craigs Bond lieferten die Autoren erstmals eine zeitgemäße Version, einen Mann aus Fleisch und Blut, der unter seiner kernigen Schale eine sensible Ader durchschimmern lässt.
Für Sam Mendes („American Beauty“), ein Regisseur, der aus emotional verkümmerten Figuren gerne menschliche Regungen herauskitzelt, ist dieser neuaufgelegte Bond ein gefundenes Fressen. Und trotzdem erliegt er nicht der Versuchung, eine Institution der Popkultur psychologisch zu analysieren, so wie Christopher Nolan es mit Batman getan hat. Zwar schickt er Bond zurück auf einen Trip in seine Vergangenheit. Doch das Geheimnis bleibt — auch wenn man jetzt weiß, wie der kleine James aufgewachsen ist, bevor seine Eltern starben.
Hinterfragt wird in „Skyfall“ eher das Prinzip Aufopferungsbereitschaft. Begriffe wie Patriotismus und Pflichtbewusstsein spielen eine Rolle, wenn Bond zu Beginn von M zum Abschuss freigegeben wird, um die laufende Mission nicht zu gefährden. Hunderte Meter fällt er in die Tiefe, wird für tot erklärt, hat aber natürlich überlebt und verarbeitet den Verrat seiner Mentorin waidwund mit bedeutungslosem Sex und riskanten Trinkspielen. Als er im Fernsehen sieht, dass die Geheimdienstzentrale angegriffen wurde, kehrt er nach London zurück.
Ziel des Anschlags: M. Cyberterroristen haben den Server des MI6 gekapert und die Identität sämtlicher Agenten veröffentlicht. Per Viren erhält M die immergleiche Botschaft: Sie muss für ihre Sünden bezahlen. Bond dient sich als Schutz an.
Mendes legt „Skyfall“ wie das Ende einer Trilogie an. „Casino Royal“ (2006) war der elegante Auftakt in eine neue Ära inklusive bewegender Lovestory, „Ein Quantum Trost“ (2008) dann die blanke Wut im erdigen Action-Stil der „Bourne“-Reihe. „Skyfall“ bildet den Abschluss. Die Hierarchien stehen Kopf. M ist der Köder und muss am eigenen Leib erfahren, wie es ist, sich für die Sache zu opfern, wenn ein unberechenbarer Irrer (Javier Bardem) Vergeltung fordert. Doch auch Bond muss umlernen. Sein neuer Quartiermeister (Ben Whishaw) ist Mitte 20 und trägt Kapuzenjacken. Ob er mit seinem Alter ein Problem habe, fragt Q Bond. „Ja, wenn der neue Q noch Pickel hat.“
Mendes hat einen dramatischen Bond inszeniert — visuell und auch erzählerisch. 007 ist hier endgültig ein tragischer Held von Operngüte. Muss man sich daran nun gewöhnen? Nö. Im Epilog lässt Mendes Bonds Zukunft offen: Da sind plötzlich wieder Miss Moneypenny und das getäfelte Sitzungszimmer aus der Vor-Craig-Zeit. Damit will Mendes sagen: Ich habe abgeliefert. Wie Ihr weitermacht, ist Eure Sache.