Haus Lange, Haus Esters, KWM Katia Baudin wird Chefin der Krefelder Museen

Katia Baudin schwört auf die Sammlung und hofft auf ein Crossover von Kunst und Design.

Foto: Helga Meister

Köln. Katia Baudin (49) leitet ab 1. September die Krefelder Museen. Die 49-Jährige hat mehrere Blitzkarrieren hinter sich. Im Gespräch mit dieser Zeitung erklärt sie, wie sie die Schätze der drei Häuser (Museum Haus Lange, Haus Esters und Kaiser Wilhelm Museum) heben und die Grenzen der angewandten und freien Künste überschreiten möchte.

Frau Baudin, Sie haben das Kunst- und Design Museum in Dünkirchen geleitet und für das Porzellanikon in Selb „Utopien des Alltags“ realisiert. Sie gelten als Spezialistin der Moderne und des modernen Designs. Was planen Sie für Krefeld?

Katia Baudin: Ich beschäftige mich seit 20 Jahren mit dem Gesamtkunstwerk. Das ist mein Spezialgebiet. Auch in Krefeld sehe ich viele Schnittstellen.

Woran denken Sie?

Baudin: An die Geschichte des Museums. Es wurde ja als ein Haus für angewandte Kunst gegründet. Die Sammlungen des Deutschen Museums für Kunst in Handel und Gewerbe, 1909 von Karl Ernst Osthaus in Hagen begründet, gelangte nach seinem Tode nach Krefeld, mit über 2000 Objekten und grafischen Arbeiten der wichtigsten Architekten und Gestalter der Wiener Werkstätte, des Jugendstils, etc. Da gibt es echte Meisterwerke der angewandten Kunst. Sammler und Textilunternehmer wie Lange ließen sich davon beeinflussen. Das Museum galt schon damals als Vermittler, um den Alltag zu verschönern. Neben dieser ersten Phase interessiere ich mich für Paul Wember.

Kommen Sie wegen der Sammlungen nach Krefeld?

Baudin: Für mich ist es wichtig, mit den Beständen eines Hauses zu arbeiten. Ich könnte nicht in einer Kunsthalle ohne Sammlung arbeiten. Ich brauche eine Art Geschichte, und daraus kristallisieren sich dann neue Ansätze. Deshalb habe ich mich ganz bewusst für Krefeld entschieden.

Wollen Sie wie einst Johannes Itten Aufträge verteilen?

Baudin: Ja, Johannes Itten ist ein gutes Beispiel. Er leitete von 1932 bis 1938 die Höhere Fachschule für Textile Flächenkunst und erteilte Aufträge an die Seidenindustrie. Ich möchte seinem Beispiel folgen. Der erste Museumsdirektor Friedrich Deneken versuchte, die Industrie für hochkarätige Architekten und Künstler zu sensibilisieren. Die visuelle Qualität sollte auch in die lokale Produktion einfließen. Ich habe auch schon angefangen, Menschen kennenzulernen, die in verschiedenen Bereichen in Krefeld arbeiten. Das ist mein Ziel, Kunst im Alltag zu zeigen.

Sie arbeiten gern ortsspezifisch. Was war das für eine Schau mit Tobias Rehberger in Dünkirchen?

Baudin: Dünkirchen liegt an der Nordsee, deshalb hat Rehberger Schwimmkojen entwickelt, damit die Menschen sich dort umziehen und planschen konnten. Ich habe Kontakt zu einer Firma für kleine Boote aus der Region aufgenommen, und diese hat die Wünsche des Künstlers umgesetzt.

Krefeld hat den Rheinhafen. Gibt es dafür schon Ideen?

Baudin: Das ist ja interessant. Das ist ein Grund, warum ich zunächst die Stadt, das Umfeld, die Akteure, das Publikum, die Sammlung und die Mitarbeiter kennenlernen will. Ich möchte Leute begeistern und Partnerschaften aufbauen.

Sie haben mit Firmen, Designern und Künstlern gearbeitet. Sie lieben Gegensätze?

Baudin: Das Cross-over interessiert mich, wie sich Tradition und Innovation, Lokales und Globales, Handwerk und Standardprodukte, Individuum und Kollektiv zueinander verhalten. Aber natürlich sind auch die Utopien der Moderne sehr spannend.

Sie haben zur Léger-Ausstellung das Schauspiel Köln eingeladen. Worum ging es?

Baudin: Die Künstler ließen sich begeistern, wie Léger in Gesprächen auf die Farbe im Raum hinaus wollte. Dazu entwickelten sie ein Szenario mit den Texten und mit unterschiedlichen Akteuren. Einer spielte Fernand Léger, vier Schauspieler spielten die Farben Gelb, Rot, Grün und Blau.

Sie haben schon den Krefelder Intendanten Michael Grosse getroffen?

Baudin: Ja. Er hat mir gleich nach meiner Wahl einen Brief geschrieben. Das fand ich sehr schön. Ich habe mich mit ihm ausgetauscht. Er ist an einer Zusammenarbeit interessiert.

Wann werden Sie ihre eigene Handschrift zeigen?

Baudin: Ab Juli wird das Friedrich-Wilhelm-Museum unter Martin Hentschel wiedereröffnet. Die Ausstellung läuft lange, so dass ich den Rücken frei habe. Die Verleihung des Mies van der Rohe-Preises mit der Ausstellung habe ich ins Frühjahr 2017 verlegt. Ich will keinen Schnellschuss machen, sondern Grundlagen schaffen für eine Identität angesichts hochkarätiger Museen in der Umgebung. Meine erste Handschrift gebe ich im Herbst 2017.

Ihr Ziel?

Baudin: Die Bürger sollen sich angesprochen fühlen. Aber gleichzeitig will ich Fachleute ins Haus bringen und das Haus durch andere Eindrücke beleben. Der Sinn eines Gesamtkunstwerks ist es ja, den Dialog der Künstler zu fördern und die Grenzen zwischen den Künsten aufzuzeigen.

Sind Sie Französin, Amerikanerin, Deutsche?

Baudin: Ich bin eine Grenzgängerin, in Frankreich geboren, in Amerika aufgewachsen und in Deutschland lebend. Ich bin von allen drei Kulturen geprägt. Ich habe die französische Staatszugehörigkeit. Aber von der Denkweise her bin ich stark an Amerika gebunden.

Bleiben Sie in Köln wohnen?

Baudin: Ich ziehe mit meiner Tochter nach Krefeld. Ich habe etwas Tolles gefunden. Krefeld hat ganz wunderbare Immobilien.