Ausstellung: Betteln gehen für El Greco
Das Düsseldorfer Museum Kunstpalast hat keine nennenswerte eigene Sammlung. Wie es dennoch gelang, Gemälde von Weltrang für eine herausragende Schau zu leihen.
Düsseldorf. Weltkunst wird in Auktionen schier unerschwinglich. Bestes Beispiel ist Edvard Munchs teurer „Schrei“, der unlängst für 119,9 Millionen Dollar versteigert wurde. Die Museen können in diesem maßlosen Wettkampf um Werke nicht mithalten, denn mit ihren niedrigen Etats ist kein Staat zu machen. Für sie zählt die Qualität einer eigenen Sammlung, die sich im internationalen Leihgeschäft einsetzen lässt. Nach dem Motto: „Gibst Du mir Deinen Matisse, bekommst Du meinen Picasso.“
In diesem Business gehören das Wuppertaler Von der Heydt-Museum, das Essener Folkwang Museum und das Kölner Museum Ludwig zu den Global Players. Düsseldorfs Kunstpalast hingegen kann weder mit Klassikern noch mit Picassos oder russischen Konstruktivisten trumpfen. So musste dessen Generalintendant Beat Wismer für seine El-Greco-Schau vier Jahre lang rund um den Globus Klinken putzen gehen.
„Wir können nur gute Arbeit und gute Ideen bieten“, sagt Wismer. „Wir bekamen die hochwertigen Bilder des Spaniers, der vor fast 400 Jahren gestorben ist, allein durch den Trick, ihn mit der frühen Moderne in Deutschland zu verbinden. Eine reine El-Greco-Schau wäre uns nie gelungen. So aber ist es mit 44 El Grecos und 100 Arbeiten der Expressionisten eine kleine Sensation geworden.“
Wismers Strategie: „Ich besuchte den Prado in Madrid, den Louvre in Paris, die National Gallery in London, das MoMa in New York. Ich war in allen Direktoren-Büros. Ich habe mit allen Kollegen gesprochen.“
Vor El Greco war sein Haus eine unbekannte Größe. Jetzt kann er auch für zukünftige Projekte auf Hilfe hoffen. Etwa wenn es um die Schau für Akseli Gallen-Kallela geht, einen wichtigen nordeuropäischen Künstler des 19. Jahrhunderts. Partner sind das Musée d’Orsay in Paris und erstmals das Helsinki Art Museum.
Die Landeshauptstadt kommt mit Vielem zu spät. Sie hätte vor 100 Jahren die Sammlung des Königlichen Rats in Budapest, Marczell von Nemes, mit acht El Grecos und insgesamt 121 kostbaren Werken der Moderne für sieben Millionen Reichsmark kaufen können.
Sie tat es nicht. In der Düsseldorfer Kunsthalle wurden Sammlungen wie die von Wilhelm Hack mit mittelalterlicher Sakralkunst und modernen Werken gezeigt — ihren Besitz aber sicherte sich geschickt Ludwigshafen. Da war die Landesregierung energischer: Sie kaufte 99 Klees als Start für die Kunstsammlung NRW und verrechnete Steuern mit der 80er-Jahre-Kollektion des kunstbegeisterten Unternehmerpaars Ackermans.
Beat Wismer aber blieb mit seinem Museum Kunstpalast ein Bittsteller, ein Einzelkämpfer. Jetzt unternimmt er mit El Greco den Versuch, sein Haus zur Ideenschmiede, zu einem geistigen Zentrum zu machen und auf diese Weise mit anderen Häusern zu vernetzen. „Wenn wir den Museumsleuten heute schreiben, wissen sie, dass wir etwas Gutes gemacht haben. Wir präsentieren ein Beispiel europäischer Kooperation.“
Anfangs konnte Wismer mangels Masse selbst kaum an einen Erfolg glauben. Aber die Partner in bestens bestückten Museen glaubten ihm. Für sie war der Gedanke neu, dass ein Altmeister aus dem fernen Spanien die Jugend von Picasso bis Beckmann inspiriert haben sollte. Sie wurden neugierig — und halfen.
Nun schart Wismer die El Grecos um sich, einer kühner als der andere. Lauter radikale Bilder mit lodernden Farben inmitten der Dunkelheit, abstrakten Lichtflecken auf klerikalen Roben. Das Liebesdrama zwischen Maria und ihrem Sohn oder das Todesdrama des Laokoon vor der Kulisse Toledos. Grecos Körper haben Konturen wie Flammen, seine Wolkenhimmel sind dunkel in stürmischer Nacht.
Das Spirituelle bei El Greco mag von den unerklärlichen Mächten Gottes künden. Es war den jungen Malern ganz offenbar gegenwärtig — sie spürten die Katastrophe schon vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. In ihrer Angst nahm ihre Kunst religiöse Züge an. So knieten sie, wie Nolde, Nauen, Beckmann und Lehmbruck, vor der Kunst des Spaniers nieder. Und dennoch: Seine leuchtenden Farben, sein Licht- und Schattenspiel erreichten sie kaum.