Bevor Bagger die Fenster zerstören
Die Forschungsstelle von Annette Jansen-Winkeln.
Mönchengladbach. Annette Jansen-Winkeln ist eine bescheidene, aber zielstrebige Frau. Seit 1978 beschäftigt sich die freiberufliche Kunsthistorikerin mit der Glasmalerei. Aus dem Hobby ist längst ein phantastisches Werk geworden. Jetzt legte sie im Beisein von Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff das Ergebnis vor: einen Überblick über die Glasmalerei im Ruhrgebiet.
Was für Hilla und Bernd Becher die Industriearchitektur war, ist für sie das farbige, von Künstlern und Kunsthandwerkern hergestellte Glas mit den vielen Gestalten. 12 000 Werke entdeckte sie in Kirchen, Krankenhäusern, Klöstern, Altersheimen, Schulen, Kindergärten und Rathäusern.
Tausend Termine koordinierte sie zwischen Dortmund und dem Rhein, Dorsten im Norden und Witten im Süden. Die Zeit eilte, denn vor allem die Gotteshäuser im Ruhrgebiet stehen vielfach vor dem Verkauf.
Über den Wert von Glasfenstern hat sich bislang vor ihr kaum jemand Gedanken gemacht. Für deren Bilder mit Heiligen und mit profanen Gestalten gibt es keinen Markt. Einst waren sie identitätsstiftend.
Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg kündeten sie nicht nur von Heiligen, sondern auch von Kriegs-Invaliden und Witwen unter dem gekreuzigten Christus, beispielsweise am Chorfenster der evangelischen Christuskirche in Herne-Wanne-Eickel. Sie spiegeln die Sozialstruktur, den Bildungsstand und den Reichtum des Auftraggebers.
Annette Jansen-Winkeln will retten, was zu retten ist. In Gelsenkirchen-Buer kam sie bei der Kirche Christus-König zu spät. "Der Bagger ist durch das Haus gefahren und hat alles zerstört", erzählt sie. In Herz Jesu in Essen-Frintrop war sie schneller: "Wir haben mit großem technischen und finanziellen Aufwand kurz vor dem Abriss zwei Glasbilder geborgen. Es ist eine Schande, Investoren geben kein Geld für die Rettung dieser Kunst aus." Ihr Helfer, Retter und Geldgeber ist in der Regel ihr Mann, der Architekt Ernst Jansen-Winkeln.
Nun appelliert Annette Jansen-Winkeln an alle Eigentümer: "Die Glasmalerei bedarf aller Anstrengungen, damit sie als wichtiges Kulturgut erhalten bleibt. In den Niederlanden und in der Provinz Limburg darf die Abrissgenehmigung nur erteilt werden, wenn der Bauherr nachweist, dass er die Glasmalerei an anderer Stelle einsetzen kann."
Annette Jansen-Winkeln hat mit Unterstützung des Landes (210 000 Euro) die Motive erfassen und ins Internet stellen lassen. Die Originale aus Abbruchhäusern lagert sie in einer privat finanzierten Tiefgarage. Die Forschungsstelle befindet sich in ihrem Haus.