Musical: „Schweb mit mir in den Abgrund der Nacht“
Graf von Krolock lockt ins Verderben. Bei dem „Tanz der Vampire“ in Oberhausen würden ihm einige Damen sicher gern folgen.
Oberhausen. Der tiefgefrorene Professor Abronsius ist von der Reise bereits aufgetaut. Die Stammgäste in Chagals Wirtshaus sind längst mit Knoblauch bewaffnet. Und der schüchterne Assistent Alfred hat sich bereits hoffnungslos in die schöne Wirtstochter Sarah verliebt.
Doch der "Tanz der Vampire" hat noch immer nicht begonnen. Erst jetzt, als Graf von Krolock mit langem schwarzen Haar, wallendem Vampirumhang und Fingernägeln wie "Edward mit den Scherenhänden" langsam durch das Publikum auf die Bühne schreitet, wird es still und beklemmend im Metronom Theater Oberhausen. Und Sarahs Herz schlägt plötzlich schneller.
Nach Stationen in Wien, Hamburg, Berlin, Stuttgart, Budapest und auch New York gastiert das Musical "Tanz der Vampire" seit Freitag in NRW. Zehn Monate lang ist die Inszenierung nach dem gleichnamigen Filmerfolg von Roman Polanski nun im Ruhrgebiet zu sehen.
Bei der Preview am Donnerstagabend erleben die Zuschauer ein tolles Bühnenbild mit vielen kreativen Ideen, fantasievolle Kostüme und ein Orchester, das mühelos und sehr detailverliebt im Gleichklang mit den Darstellern spielt. Nur die Handlung fällt zu oft auseinander und fesselt das Publikum weit weniger, als Ausstrahlung und Stimme von Graf von Krolock alias Jan Ammann das können.
Der Film, 1967 als Parodie auf gruselig-blutrünstige Vampirschocker gedacht, überzeugt mit einer Komik, die im Detail entsteht - durch die Mimik der Darsteller, die Schnitte und Kameraeinstellungen. Im Musical muss notgedrungen an manchen Stellen der Holzhammer her, der diese Komik dann zu ausgeleiertem Slapstick macht.
Nur manchmal gelingt es Professor Abronsius (Gernot Kranner), das Publikum mit seiner Zerstreutheit zum Lachen zu bringen. Nach Musical-Erfolgen wie "Mamma Mia" und "Ich will Spaß" gerät dem "Tanz der Vampire" auch zum Nachteil, nicht von eingängiger Musik allein leben zu können. Viele Melodien sind dem Publikum neu.
Lediglich das Lied "Totale Finsternis" als Adaption von Bonnie Tylers "Total Eclipse of the Heart" bleibt im Ohr und rührt auch ein wenig das Herz. Denn die Beziehung zwischen Sarah und Graf von Krolock ist es, die diesem Musical seinen Reiz gibt.
Anders als im Film erscheint Graf von Krolock hier als begehrenswerter junger Mann von riesiger Statur, dem auch einige Damen im Publikum gern folgen würden, wenn er mit seiner tiefen Stimme singt: "Schweb mit mir in den Abgrund der Nacht und verlier dich in mir."
Doch - das ist Vampirschicksal - so gerne der Graf auch würde, seine "unstillbare Gier" macht ihn zur Kreatur, die "kriecht und lügt und zerreißen muss, was immer sie liebt". Solo-Auftritte wie "Die unstillbare Gier" und "Gott ist tot" von Krolock-Darsteller Jan Ammann sind die großen Momente dieses Musicals.
Drum herum haben Regisseur Roman Polanski und Erfolgsautor Michael Kunze nette, bunte Szenen drapiert, die schmunzeln lassen, aber insgesamt ein wenig verloren und beliebig wirken. Denn dieses Musical schwankt ständig zwischen Gruselkomödie und der tiefernsten Geschichte einer tragischen Liebe.