Museum-Kunst-Palast: Die Kunst des Begehrens
Ausstellung: „Den verbotenen Blick auf die Nacktheit“ wagt das museum kunst palast mit Werken von mehr als 200 Künstlern.
Düsseldorf. Ursprünglich war die Nacktheit ein Zeichen der Unschuld. Als jedoch Eva den verbotenen Apfel der Erkenntnis Adam reichte und beide davon aßen, merkten sie, dass sie nackt waren, schämten sich und wurden aus dem Paradies verjagt. Nacktheit hat im Christen- und Judentum etwas mit dem Sündenfall zu tun. Künstler aller Jahrhunderte wussten jedoch, wie man Tabus bricht, wie man Geschlecht und Geschlechtlichkeit mit Schönheit, Wahrheit, Ekstase und auch Tod verknüpfen kann. Die Kunst des attraktiven Begehrens führt zu einer grandiosen Schau im Düsseldorfer Ehrenhof.
Mit großer Begeisterung, feinster Sensibilität, aber auch mit Witz führt uns Generalintendant Beat Wismer die Totale der Kultur von der Antike bis in die Gegenwart vor und fokussiert sie unter dem einen Thema des "Verbotenen Blicks". Er beginnt bei der fatalen Begegnung des Jägers Actaeon mit der Göttin Diana, die für Actaeon mit dem Tod endet. Das klassische Thema vom Jäger und Gejagten, Täter und Opfer, dem aggressiven und dem hingebungsvollen Menschen ist zugleich ein spannendes Thema zwischen Blick-Lust und Kontaktaufnahme, Begehren und Verwerfen. Gleich das erste Gemälde von Jean Francois de Troy im Eingang zeigt die göttliche Diana mit Tränen, weil der verwandelte Geliebte ihr entfleucht.
Es gibt viele große Namen von Rembrandt bis Rubens, Poussin bis Picasso, Cranach bis Corinth. Ihre Werke kreisen nicht nur um Bathseba oder Susanna, Quellennymphen, Pornogirls und frivole Damen, sondern auch um das eigene Ich im Du, in zauberhaften Bildern wie dem zaghaft entblößten Unterleib von Picassos Dora Maar. Die Damen in dieser Schau wurden in der Regel von Männern gemalt, denen es um das lustvolle Hinblicken geht. Die ruhende Venus des Lucas Cranach ist ein gutes Beispiel eines fast schon auffordernden Augenaufschlags. Beat Wismer und seine Kuratoren Sandra Badelt und Mattijs Visser präsentieren innerhalb von Kojen und Kabinetten den steten Blicktausch zwischen Mann und Frau, Alt und Jung, Bildern und Betrachtern. Die Anziehungskraft erotischer Kunst gilt immer auch dem lustvollen Betrachter.
Man darf auch lachen in dieser Schau, wenn Marcel Duchamp sein Paar aus Topflappen bastelt, Liza Lou einen Fetisch aus Goldperlen klebt, Konrad Klapheck seinen erwachenden Jungen in ein giftiges Grün bettet und Pierre Klossowski sein mythologisches Duo in Kunstharz baut, die nackte Ehefrau Roberte und den in der Achselhöhle schnüffelnden Gehörnten.
Eines der kapitalsten Werke stammt von Artemisia Gentileschi, die mit 17 Jahren ihre erste Susanna malte, eine üppige, nackte, junge Frau, die direkt vor dem Betrachter auf den Stufen sitzt, während über ihr zwei Männerköpfe gebeugt sind. Die Frau ist dem gierigen Blick des Betrachters wie der Männer ausgeliefert. Artemisia weiß, was sie malt, denn sie ist vergewaltigt worden und musste sich selbst bei einem Prozess gegen ihren Peiniger wehren. Louise Bourgeois hängt Penis und Hoden an einen Strick, John Currin und Thomas Ruff nehmen ihre Vorbilder in der Pornografie, und Yves Klein drückt den Po der Dame in sein Kadmiumblau.
Die Tabuisierung der Nacktheit ist Geschichte geworden. Im Obergeschoss empfängt der respektlose Boris Mikhailov die Gäste mit einem Farbfoto, bei dem ein Junge die kleinen Brüste seiner Freundin quetscht. Für die Brücke-Künstler glich die Vereinigung von Natur und Mensch noch dem Paradies, bei Berlinde de Bruyckere endet die Liebe in einer todbringenden Geburt, die den Körper zerreißt und in den Abgrund führt - vor einem roten Theatervorhang allerdings.