Peter Doig: Ein liebenswerter Tabubrecher
Die Frankfurter Schirn zeigt Gemälde und Filmposter des Star-Malers und Düsseldorfer Professors.
Frankfurt. Peter Doig (49), weit gereister Schotte in der Karibik, war 30 Jahre alt, als er als Student in London gegen den harten Ton der jungen britischen Künstler (YBA) mit verlockenden Landschaften anmalte. Mit 35 Jahren erhielt er erstmals internationale Bekanntheit, als er für den Turner Preis nominiert wurde. Seitdem ist er der Lieblingsmaler der Nation.
Er ist nicht wild, nicht politisch und nicht konkret, dennoch ist er auf subversive Weise ein Tabubrecher. Er hat der Kunst die jahrzehntelang verpönte Neo-Romantik zurückgegeben, versehen mit einem Schuss Ironie und einer wunderbaren Attitüde für das scheinbar Unheimliche. In der Frankfurter Schirn zeigt er einen Überblick über seine malerische Bravour der letzten 20 Jahre.
1989/90 nimmt er dicke Postsäcke, näht das grobe Leinen simpel zusammen und pinselt einen langen, roten Laster mit großen Scheinwerfern in die Bildmitte. Die Fahrspur des Lasters teilt das Bild in eine große, grünliche, locker hingesetzte Wiese und eine raffiniert kolorierte Wolkenzone. Komisch kindlich schaut der Sattelschlepper aus, wie der Alptraum eines Kindes, glasklar und doch nicht greifbar.
Zehn Jahre später entstehen die typischen Doigs aus filmischen oder fotografischen Versatzstücken, die er atmosphärisch auflädt und die der Kunstmarkt begierig aufnimmt. Bestes Beispiel ist "Echo Lake" (1998), ein Breitwand-Panorama frei nach dem Horrorfilm "Friday 13th". Einer der Männer steht am Ufer.
Die Hände hat er an den Ohren, als ob er den Schrei nicht hören will, den er ausstößt. Die Landschaft spiegelt sich im See, einer blau-rötlichen Tunke, und am Ufer fransen die Farben wie Beulen aus. Bevor die bunte Küstenzone in den dunklen Wald übergeht, sehen wir das Polizeiauto. Wenn das keine Spannung ist.
Doig will es nun wissen, was er als Maler taugt. Immer wieder erzeugt er Wasser oder Schnee in rutschigen und spiegelnden Partien, die so merkwürdig abweisend bei allem Liebreiz der Farben sind. Figuren in diesen Zonen stieren uns an, dösen vor sich hin und erzeugen eine nicht ganz fassbare Totenstille.
"100 Years ago" ist allein schon von der Komposition her grandios: Wieder bevorzugt er Parallelen, einen schnurgeraden Horizont und dazu ein hellrotes Kanu, das das Bild durchschneidet und doch nicht in Fahrt kommt, weil ein bärtiger Mann wie ein Stopper in die Szene gesetzt ist.
Das Auge kann die Details des Panoramas nicht auf einmal erfassen, der Blick rutscht gleichsam ab. Die oberste Himmelszone ist dunkelblau, die zwischengeschobene Himmels- und Ufer-Partie "himmlisch" schön, souverän im lockeren Duktus gepinselt. Doig wiederholt das Motiv immer wieder, in unzähligen Farbvarianten bis zum grünlichen Tümpel oder zur rötlichen Brühe.
Die chronologisch gehängte Schau beginnt bei frühen Winterszenen aus Kanada, zeigt Le Corbusiers verlassene Trabantensiedlung in Frankreich und führt zu tropischen Landschaften mit Booten. Dabei bevorzugt er eine Atmosphäre aus Schneeflocken, Sternenhimmel und blutroten Böden, in denen sich die Personen spiegeln, in denen sie beinahe ausrutschen, Schatten werfen und uns in ihren Bann ziehen.
An den letzten Bildern reflektiert er seine Kunst der Unschärfen, der Reflexe, der Solarisation. Abstrakt wirkt das Ganze, in der Auflösung begriffen, merkwürdig visionär, nicht habhaft. Die Leinwand ist nur noch leicht grundiert, die Farben nehmen sich beinahe zurück. Man möchte durch die letzten Schleier hindurchgehen, wohl wissend, dass man nur auf die Stofflichkeit des Leinens trifft. Die Romantik scheint sich zu verflüchtigen.