Ausstellung: Lawrence Wiener - Ein Bildhauer der Sprache
Konzeptkunst: „So weit das Auge reicht“ heißt die Retrospektive von Lawrence Weiner im K21 in Düsseldorf. Es ist die einzige Station in Europa.
Düsseldorf. Lawrence Wiener (66) ist ein Künstler, dessen Material ganz gewöhnlich und deshalb ungewöhnlich ist: Es ist Sprache. Er lädt sie nicht mit Sentenzen, sondern mit Schönheit auf. Seine Sätze wirken wie im Schwebezustand - voller Grazie. Er selbst spricht von "etwas Charme". Nun erhält dieser Charmeur, der dennoch einer der radikalsten Künstler der Gegenwart ist, die erste große, fast 50Schaffensjahre umfassende Retrospektive. Sie findet nach New York und Los Angeles im Düsseldorfer K21 als dritter und letzter Station statt.
"As far as the eye can see" ist der Titel, was wir mit dem bekannten Satz "So weit das Auge reicht" übersetzen möchten. Darin enthalten ist aber auch der Satz: "So weit das Auge sehen kann". Um mit Lawrence Weiner oder zu sprechen: Das Auge kann mehr, als wir gemeinhin denken. Eine Sentenz von ihm lautet denn auch: "The Public ist not stupid", "Das Publikum ist nicht dumm". Er traut ihm etwas zu. Es ist sein Dialogpartner. Er ist davon überzeugt, dass die Menschen seine Sprache mit Bedeutung aufladen, dass sie zum Verständnis von Kunst selbst beitragen. Er beschreibt weder Gebot noch Verbote, gibt keine Rezepte. Er, der sich selbst einen Bildhauer nennt, entlässt Sprache in eine wunderbare Offenheit.
Seine knappen und programmatischen Sätze klingen wie abgewandelte Bibelsprüche, wie Psalmen, wie ein Regelsystem ohne konkrete Regeln. "Eine Linie gezogen vom ersten Stern der Abenddämmerung bis zum letzten Stern der Morgendämmerung" steht nun auf einer Straßenbahn in Düsseldorf. Die Linie müssen wir uns selbst vorstellen, er zieht sie nicht. Aber er betrachtet sich als Bote für "die Leute", "the people", die die Botschaft empfangen werden. Seinen Sätzen wohnt keine romantische Ironie inne, höchstens Emotion.
Im Eingang zur Ausstellung in Düsseldorf steht geschrieben: "Der Künstler kann die Arbeit herstellen. Die Arbeit kann hergestellt werden von jemand anderem. Die Arbeit muss nicht ausgeführt werden." Alle drei Thesen haben bei ihm großen Wert. Werden die Worte auf einem Träger ausgeführt, so kann dies eine Wand, ein Streichholz, eine Postkarte, ein Schnupftuch oder eine Schablone aus rostfreiem Stahl sein. Auf dieser Schablone lesen wir: "As long as it lasts", "So lange es währt". Die Arbeit ist die Leihgabe eines anderen Konzeptkünstlers, Maurizio Cattelan.
"Düsseldorf ist Schicksal", sagt er im Gespräch. Er freue sich, dass die einzige Station in Europa diese Stadt sei. "Hier wurde ich 1969 erstmals in der Galerie Konrad Fischer ausgestellt und mit offenen Armen empfangen. Die Reaktion unter den Künstlern war wunderbar. Hier verkaufte ich meine erste Arbeit, sie ging an den damaligen Restaurator Wolfgang Hahn nach Köln. Düsseldorf ist für mich sehr sentimental." Er spricht längst Deutsch, es ist ein "Kneipendeutsch" aus der hiesigen Altstadt.