Kunsthochburg Shanghai
Julian Heynen, künstlerischer Leiter von K21, kuratiert die Shanghai-Biennale.
Herr Heynen, was verschafft Ihnen die Ehre, mit zwei Kollegen die Shanghai-Biennale zu leiten?
Heynen: Genau weiß ich das nicht. Der Direktor der Biennale, Zhang Qing, war vor anderthalb Jahren in Düssedorf. Es war eine gute Begegnung, obwohl er kein Englisch spricht und ich kein Mandarin kann. Erst langsam ist mir klar geworden, dass er mich gern neben dem Kollegen Henk Slager aus Utrecht als Kurator haben wollte. Im Vergleich mit den früheren Biennalen sind wir zu dritt ein recht kleines Team.
Sie betreuen den europäischen Part?
Heynen: Den nicht-chinesischen Part. In China können Sie nicht einfach eine Kunstausstellung machen, sondern haben ein gesellschaftlich relevantes Thema als politische Vorgabe. Den chinesischen Slogan haben wir mit Translocation übersetzt. Es geht um die riesige Migration, die ungeheurere Dynamik eines Ballungsraumes wie Shanghai.
Tempo spielt in Shanghai eine große Rolle?
Heynen: Sicher, man merkt sofort, dass alle Leute ganz schnell ganz reich und glücklich sein wollen. Von den fast unter Sklavenbedingungen lebenden Wanderarbeitern bis zu den Großmogulen haben alle eine solche Geschwindigkeit und Intensität bei der Verfolgung ihrer Ziele, wie wir es hier gar nicht kennen. Köln oder Düsseldorf haben dagegen den Charme von Kleinstädten. Es ist eine Stadt voller Möglichkeiten, aber auch voller Grausamkeit. Man kann die Dynamik an simplen Dingen festmachen: Vor dem Museum ist eine große Kreuzung mit fünf Straßen, die mal eben in zwei, drei Nächten am Wochenende komplett umgebaut wurde.
Wieso zeigen Sie Thomas Ruff und Klaus Mettig aus Düsseldorf?
Heynen: Ich habe Thomas Ruff gefragt, ob wir mit einem Bild von Shanghai im Eingang anfangen können, was jeder wiedererkennt und was doch anders ist. Er hat dann eines der abgenudelsten Motive überhaupt, die Skyline von Pudong, genommen, sie aber auf seine Weise verfremdet, so dass es farblich wie ein chinesisches Propagandabild der 50er oder 60er Jahre aussieht. Die Chinesen erkennen ihr großes, modernes Shanghai wieder. Aber gleichzeitig ist es ein komischer Absturz in eine Zeit, wo Mao über alles bestimmt hat.
Und Klaus Mettig?
Heynen: Bei Mettig ging es mir um die neuen Bilder, die er mit der Technorama-Kamera aufnimmt. Eine alte, analoge Kamera, die ein sehr breites Format, ein extremes Kinoformat aufnimmt. Es sind fast vier Meter breite Bilder aus der Serie ",Don’t be left behind", "Pass auf, dass du nicht zurückbleibst". Er zeigt fünf Bilder, aus Dehli, Kathmandu (Nepal), Butan, den Arabischen Emiraten und Shanghai. Das Interessante ist die Verschmelzung von Nähe und Distanz in diesen Bildern.
Gibt es Anregungen aus Ihren Biennale-Erfahrungen für uns?
Heynen: Die Art, wie wir über moderne Kunst reden, was wir unter ihr verstehen, ist in China eine andere. Die Kunst in China muss eine nachvollziehbare Funktion in der Gesellschaft haben wie im Mittelalter bei uns auch.
Wie ist es mit der Autonomie in der Kunst?
Heynen: Der Begriff der Autonomie der Kunst, ohne den die Moderne nicht zu denken ist, ist in China noch ziemlich fremd. Es gibt in der chinesischen Gegenwartskunst auch so etwas wie eine kommerzielle Falle, indem Künstler für den Markt nach dem Motto produzieren: je größer, desto besser. Man kann das irgendwie verstehen, wenn drei verschiedene Schnellstraßen übereinander durch die Innenstadt von Shanghai brausen und jedes Reklameschild zehnmal so groß ist wie in Düsseldorf.
Aber die Tendenz zur Megalomanie ist für uns schon fremd. Als Künstler mit entgegengesetzten Strategien zu arbeiten, also eher partisanenhaft und klein und unauffällig daherzukommen und sich irgendwo einzunisten, das ist dort nicht so geläufig wie bei uns. In der Biennale wurde auch nicht so sehr danach gefragt, wie sich die Dinge im Raum zueinander verhalten.