„Die Erfindung des Wilden“ - Ausstellung in Paris
Paris (dpa) - Zur Gaudi der Schaulustigen mussten sie fauchen wie Löwen und sich anfassen lassen: Afrikaner, Indianer und „Hottentotten“ aus der deutschen Kolonie Südwestafrika.
Männer, Frauen und Kinder aus exotischen Ländern wurden vorgeführt wie Tiere - vor Fürstenhöfen Europas, in Zoos und auf Jahrmärkten. Zwischen 1800 und 1940 wurden rund 30 000 menschliche Jahrmarktsattraktionen von Millionen von Neugierigen und Sensationshungrigen begafft. Beschämende Menschenspektakel, die den Blick auf das Fremde geprägt haben und die Wurzeln des Rassismus legten.
Wie es dazu kommen konnte, zeigt jetzt eine Ausstellung bis zum 6. Juni im Pariser Museum für außereuropäische Kunst Quai Branly unter dem Titel „L'invention du sauvage“, die Erfindung des Wilden. Präsentiert werden rund 600 Filmauszüge, Fotografien, Plakate und Gemälde, die zeigen, wie im Zeitalter des Kolonialismus Angehörige fremder Kulturen entmenschlicht wurden.
„Was mich interessiert, ist die Frage, wie man zu der Vorstellung kommen konnte, dass die schwarze Rasse das fehlende Element zwischen Mensch und Affe wäre“, sagte der französische Ex-Fußballspieler Lilian Thuram. Der ehemalige Nationalspieler und Fußballweltmeister ist Initiator und Ko-Kurator der Ausstellung. Was Rassismus ist, hat er am eigenen Leib erfahren. Als er als Neunjähriger von Guadeloupe nach Paris kam, wurde ihm klar, was es heißt, ein Schwarzer zu sein. Im Jahr 2008 gründete er die Stiftung zur Erziehung gegen Rassismus.
„What is it?“ Was ist das? Steht auf Englisch unter dem Bild eines stark beharrten schwarzen Mannes, oder „Missing Link“ auf einem Veranstaltungsplakat, das die „Haarfrau“ Krao zeigt. Der Titel spielt auf die Verwandtschaft mit Menschenaffen an und ihre Existenz als „Missing link“ nach Darwins Evolutionstheorie.
London, Paris, Berlin, Hamburg: In allen großen europäischen Städten wurden sogenannte Freakshows mit entstellten und verkrüppelten Menschen organisiert und Somalier, Inder und Eskimos als Exoten präsentiert. Einer der ersten Organisatoren solcher „anthropologisch-zoologischer Schauen“ war der Tierhändler und Hamburger Zoo-Besitzer Carl Hagenbeck. Sein Konzept, mit dem er ab 1870 seine Kassen füllte, war damals ganz neu: Er stellte in seinem Zoo ganze Menschengruppen aus und zeigte wie sie lebten - mitsamt Tieren, Behausungen und Gerätschaften.
Die Zurschaustellung des Fremden und Anderen bekam durch Mediziner, Anthropologen und Ethnologen den Anstrich des Wissenschaftlichen. Körper und Kopfformen wurden vermessen. Der wissenschaftliche Rassismus hat die Praxis der Ausschließung der Fremden verschärft, wie Thuram betonte. Und er ist überzeugt: „Wenn uns morgen Wissenschaftler kleine grüne Menschen im Freizeitpark Jardin d'acclimatation zeigen würden, werden wir massenweise hinströmen.“ 1890 wurde dort jedenfalls eine Gruppe von Somaliern ausgestellt.