„Digitales Schlendern“ durch die Kunstgeschichte

Frankfurt/Main (dpa) - Zwei Denkfehler lauern, wenn Museen über ihre Internet-Strategie nachdenken, glaubt Städel-Direktor Max Hollein: Entweder versuchen sie, den realen Rundgang durch die Ausstellung virtuell nachzubilden, oder sie verfolgen das Ziel, mehr Besucher anzulocken.

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„Das eine ist relativ uninteressant, das andere wird nicht funktionieren“, sagt der Chef des Frankfurter Kunstmuseums, das 2015 seinen 200. Geburtstag feiert.

Im Jahr vor dem Jubiläum will das Städel eine ganze Reihe von Neuerungen vorstellen, wie Hollein der Nachrichtenagentur dpa vorab verriet: „Die digitale Erweiterung des Museums ist unser großes Thema in den nächsten eineinhalb Jahren.“ Nicht alle Museen sind so aktiv, sagt Prof. Monika Hagedorn-Saupe vom Institut für Museumsforschung und Vorstandsmitglied im Deutschen Museumsbund. Manche haben nicht mal eine Datenbank, nur wenige stellen ihre Bestände online, in den sozialen Medien aktiv ist nur eine Minderheit.

Das Städel ist online auf allen Kanälen unterwegs: 16 500 Facebook-Freunde, 7500 Twitter-Follower, 86 000 Leser des Städel-Blogs, 350 000 Video-Abrufe auf YouTube. 2014 kommen zwei Angebote dazu: ein Computer-Lernspiel für Kinder - „eine zeitgemäße Form der früh-ästhetischen Erziehung“ - und Online-Kurse für Erwachsene, die sich auf eine Ausstellung vorbereiten wollen.

Wer künftig eine Karte online kauft, kann - kostenlos - einen Kurs downloaden und zum Beispiel im Zug nach Frankfurt etwas über Raffaels Radier-Techniken oder Dürers Biografie lernen. Ziel sei es, „den Besuchern einen qualifizierteren Besuch zu ermöglichen“, wie Hollein sagt. Den - kostenpflichtigen - Audioguide kann man bereits zur momentanen Dürer-Ausstellung aufs Smartphone laden und daheim weiterhören.

Wichtigstes Vorhaben ist eine digitale Exponate-Plattform. Im Frühjahr 2014 soll die Beta-Version (für ausgewählte Test-Nutzer) fertig sein. Zum Jubiläum 2015 soll die Plattform für jedermann benutzbar sein. 1,5 Millionen Euro wurden bei dem vom Land Hessen geförderten Projekt bereits investiert, an dem auch die Software AG und die Hochschule Darmstadt mitarbeiten. Seit Sommer sind fünf Städel-Mitarbeiter und Kollegen vom Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte damit beschäftigt, den Sammlungsbestand zu verschlagworten - mit rund 80 Schlüsselwörtern pro Bild.

Der Besucher kann virtuell durch die Sammlung schlendern - von der nur ein Prozent im Museum hängt - und bekommt von Klick zu Klick andere Vorschläge: Wer „Richter“ sucht, sieht nicht nur alle Maler dieses Namens, sondern auch Bilder von Juristen. Wer sich dann für Gerhard Richters „Kahnfahrt“ entscheidet, bekommt eine Auswahl von Bildern mit Booten quer durch die Kunstgeschichte. Wer Videos anklickt, bekommt mehr Filme angeboten als jemand, der überwiegend wissenschaftliche Texte liest.

Die Plattform sei keine Bildergalerie wie Google Art Project, betont der Darmstädter Mediensystementwickler Prof. Thorsten Fröhlich. „Sie kommen über Assoziationen weiter, das ist etwas ganz Neues. Wir nennen es: Finden ohne zu suchen. Sie werden verführt, sich darin zu verlieren.“ Dieses „digitale Streunen“, glaubt Hollein, ermöglicht eine neue, assoziative Art der Kunstbetrachtung, die nicht in Konkurrenz steht zum realen Museumsbesuch.

Museumsforscherin Hagedorn-Saupe würde sich eine solche Plattform für alle Museen in Deutschland wünschen. „Die Bibliotheken sind viel weiter“, sagt sie. Sie arbeiteten schon lange in Verbünden, während Museen zu sehr auf die eigene Sammlung fixiert gewesen seien. Für die Literatur gebe es die Deutsche Digitale Bibliothek - in der Kunst Insellösungen. „Wir brauchen einen Zugangspunkt für das kulturelle Erbe in Deutschland“, sagte Hagedorn-Saupe. „Dazu gehört auch ein zentrales Portal für Museumsobjekte.“