Karikaturistin Marie Marcks gestorben
Heidelberg (dpa) - Eine Mutter steht mit ihren beiden Kindern vor einem Arbeitsvermittler. Der schaut die Frau durch seine kleinen Brillengläser an und sagt: „So so. Berufstätig sind sie also. Wäre es nicht angebracht, dass Sie sich um die schulischen Leistungen Ihrer Kinder kümmern?
“
Zeichnungen wie diese sind typisch für Marie Marcks, die als bekannteste deutsche Karikaturistin gilt. Zu ihren zentralen Themen gehörten die Rolle der Frau in der Arbeitswelt und die Situation alleinerziehender Mütter. Damit war sie Vorbild für viele Frauen, die im Nachkriegsdeutschland ihren Platz suchten. Die Künstlerin starb am Sonntag im Alter von 92 Jahren.
Marcks war selbst zweimal geschieden und Mutter von fünf Kindern. Mit ihrer starken Persönlichkeit inspirierte sie auch andere Karikaturistinnen, so etwa Franziska Becker. „Ohne dich bin ich so wahrscheinlich auch nicht denkbar“, schreibt die Kollegin in einem Nachruf für die Frauenzeitschrift „Emma“. „Deine Chuzpe, dein Witz, deine Unverfrorenheit und Respektlosigkeit, mit einem Wort dein Vorbild hat nicht nur auf mich entscheidenden Einfluss gehabt.“ Bereits als Schülerin sei sie beeindruckt von Marcks gewesen. „Allein schon ihre Existenz war Vorbild: Eine satirische Zeichnerin, die's vormacht.“
Marcks wurde am 25. August 1922 in Berlin geboren. Die Kreativität war ihr in die Wiege gelegt: Ihre Nachmittage verbrachte sie im Atelier ihres Vaters, eines Architekten, oder bei ihrer Mutter, die eine Kunstschule leitete. Nach dem Abitur studierte Marcks auch selbst einige Semester Architektur, bevor sie nach dem Zweiten Weltkrieg in Heidelberg als freie Malerin und Grafikerin anfing. Später arbeitete sie als Karikaturistin etwa für die „Süddeutsche Zeitung“, „Die Zeit“ und das Satiremagazin „Titanic“.
Marcks' Themenpalette war breit, sie bediente sich in allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen. Neben der Rolle der Frau, die sich veränderte, war ihr das Zusammenspiel von Mann und Frau sowie von Jung und Alt besonders wichtig. Auch umweltpolitische Themen lagen ihr am Herzen.
„Sie war kämpferisch“, sagt der Leiter des Kurpfälzischen Museums in Heidelberg, Frieder Hepp, der Marcks gut kannte. „Sie hat sehr vielen aus der Seele gesprochen, den Frauen auf jeden Fall. Denen hat sie auch eine Identifikationsfigur geboten. Und sicherlich hat sie vielen Männern den Spiegel vorgehalten.“
Für den Geschmack der „Emma“ hätte sie wohl ruhig noch deutlicher werden können. Dem „Zeit“-Magazin erzählte die Karikaturistin einmal: „Alice Schwarzer fragte mich für die „Emma“ an, aber mein Cartoon war ihr dann doch zu „männerfreundlich“.“ Sie habe sich nie nur auf Frauenthemen beschränken wollen. Hepp betont, als Feministin habe Marcks sich nicht gesehen. „In Schubladen hat sie sich nie stecken lassen, dafür war sie viel zu eigenständig.“