Kunst im Netz: Erste Internet-Biennale startet
Berlin (dpa) - Keine Anreise, keine Warteschlangen, kein Ticketkauf: An diesem Freitag startet die weltweit erste Biennale zeitgenössischer Kunst, die ausschließlich im Internet zu sehen ist. Die Macher der digitalen Ausstellung „BiennaleOnline“ hoffen auf mindestens 100 000 Besucher.
„Unser Ziel ist, die Kunst aus dem Elfenbeinturm zu holen und auch für Leute zugänglich zu machen, die sonst den Gang in Galerien scheuen“, sagt Initiator David Dehaeck in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Der 49-jährige Belgier, Gründer der Kunstplattform Art+, hat für das gewagte Experiment ein hochkarätiges Team gewonnen. Künstlerischer Leiter der BiennaleOnline ist der frühere documenta-Chef und langjährige belgische Museumsdirektor Jan Hoet (76), der von 30 international renommierten Kuratoren unterstützt wird - darunter Nancy Spector vom New Yorker Guggenheim Museum, Daniel Birnbaum vom Stockholmer Moderna Museet und Yuko Hasegawa vom Museum of Contemporary Art in Tokio.
„Ich hatte dieses Team innerhalb von zwei Wochen beieinander“, erzählt Hoet. „Als eine Zusage nach der anderen kam, wusste ich, dass die Idee funktioniert.“ Jeder Kurator konnte fünf Künstler vorschlagen, davon mindestens zwei aus seinem eigenen Land. 180 vielversprechende Talente aus aller Welt sind so mit insgesamt rund 2000 Bildern, Skulpturen, Installationen und Videos vertreten. Ihre Werke werden in hochaufgelösten Fotos gezeigt und durch eine Biografie des Künstlers sowie einen Kommentar des Kurators ergänzt.
Für Deutschland hat der neue Chefkurator des Stedelijk Museum voor Actuele Kunst (S.M.A.K.) im belgischen Gent, Martin Germann, die Auswahl getroffen. Er entschied sich für so unterschiedliche Künstler wie etwa den in Berlin lebenden Österreicher Oliver Laric (geboren 1981), der die Internetplattform VVORK mitbegründet hat, und den Maler Thomas Kratz (1972), der sich vor allem mit Porträts und menschlicher Haut auseinandersetzt.
Weitere Germann-Kandidaten sind die Baselitz-Schülerin Suse Weber (1970), der Berliner Fotograf und Filmemacher Tobias Zielony (1973) und der Videokünstler Mikael Mikael (1974). „Wichtig bei der Auswahl war mir vor allem die Eigenständigkeit der Arbeit“, sagt Germann. „Und einige Werke sollten natürlich auch den Raum mit bedenken, darüber etwas erzählen oder eine Position dazu einnehmen.“
Dass vor allem Malerei durch die Präsentation im Internet viel von ihrer sinnlichen Qualität verliert, geben die Organisatoren unumwunden zu. Dafür gebe es aber die Möglichkeit, immer wieder zu einem Kunstwerk zurückzukehren und über Facebook und Twitter auch mit dem Künstler in Kontakt zu treten, sagt Direktor Hoet. „Das ist eine ganz neue Qualität der Wahrnehmung. Man kann gleichzeitig in Los Angeles und Peking sein.“
Für die Besucher ist der Zugang zur Kunst im Netz kostenlos. Während es anfangs Überlegungen gab, nach dem Vorbild von Zeitungen mit einer Paywall eine Art Eintritt zu verlangen, wird der User jetzt erst am Schluss gebeten, einen Obolus nach eigenem Gutdünken zu entrichten. „Uns erschien das fairer und demokratischer, denn jeder kann zahlen, soviel er sich leisten kann - oder will, wenn der Besuch es wert war“, sagt Dehaeck.
Der Initiator hat eigenen Angaben zufolge das Projekt bisher gemeinsam mit seiner Frau Nathalie Haveman aus eigener Tasche finanziert. Von den erhofften Spenden der Besucher ist den Künstlern ein 30-Prozent-Anteil zugesagt. Verkauft werden ihre Bilder auf der Plattform nicht. „Mit dem Kunsthandel wollen wir nichts zu tun haben“, so Dehaeck. „Aber natürlich steht es jedem Interessierten frei, mit der Galerie eines Künstlers Kontakt aufzunehmen.“
Bis 2015 soll die erste Ausstellung unter dem Titel „Reflection & Imagination“ im Netz stehen. In zwei Jahren ist dann, wie es sich (namensbedingt) für eine ordentliche Biennale gehört, eine neue Präsentation geplant.