Kunstzentrum für Mark Rothko in Lettland
Daugavpils (dpa) - Seine bekanntesten Werke sind großformatige Gemälde mit meist drei horizontal übereinandergeschichteten Farbflächen mit verlaufenden Rändern: Mark Rothko stellte die Ausdruckskraft der Farbe in den Mittelpunkt seines Schaffens.
Die Bilder des vor 110 Jahren in Daugavpils im heutigen EU-Land Lettland geborenen Künstlers gelten als Inbegriff des Abstrakten Expressionismus. Sie hängen in den größten Kunstmuseen dieser Welt - und nun auch in seiner Heimatstadt. Das „Mark Rothko Kunstzentrum“ öffnete am Donnerstag erstmals seine Türen für Besucher.
„Mark Rothko ist der berühmteste Sohn von Daugavpils. Mit dem Kulturzentrum wollen wir ihn in seine Heimat zurückholen“, sagt Aleksejs Burunovs, Leiter des Kunstzentrums in der rund 230 km südöstlich von Lettlands Hauptstadt Riga gelegenen Stadt. Als Marcus Rothkowitz dort während der Zarenzeit am 25. September 1903 als viertes Kind jüdischer Eltern geboren wurde, hieß die Stadt noch Dwinsk und war eine russifizierte polnische Industriestadt.
Aus Furcht vor Pogromen und dem Einzug der beiden ältesten Söhne in die zaristische Armee, wanderte die Familie 1913 in die USA aus. Dort begann er in den dreißiger Jahren als Künstler zu arbeiten, nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an und änderte seinen Namen in Mark Rothko, unter dem er bis zu seinem Selbstmord 1970 weltbekannt wurde.
Für das „Mark Rothko Kunstzentrum“ wurde das ehemalige Arsenal der historischen Festung von Daugavpils mit Hilfe von EU-Geldern für umgerechnet 5,8 Millionen Euro restauriert. „Das Kunstzentrum wird der einzige Ort in ganz Osteuropa sein, an dem Originalwerke von Rothko ausgestellt sind“, betont Burunovs. Die Nachkommen des Künstlers haben dem Zentrum sechs Werke aus dem Besitz der Familie als Leihgaben überlassen.
Neben den Originalen umfasst die Sammlung rund 40 Reproduktionen aus allen Schaffensperioden Rothkos. Gezeigt wird auch eine digitale Ausstellung über das Leben und Werk von Rothko, dessen Gemälde weltweit zu den am teuersten gehandelten Kunstwerken zählen. Sein „Orange, Red, Yellow“ wurde letztes Jahr bei einer Auktion für knapp 87 Millionen Dollar versteigert.
„Dieses Zentrum wird sich zu einem wichtigen Archiv, einer wichtigen Ressource für alle Rothko-Forscher entwickeln, auf die sie zugreifen können, und auch für die Öffentlichkeit“, sagt Christopher Rothko, der Sohn des Künstlers. Gemeinsam mit seiner Schwester Kate Rothko Prizel unterstützt er seit mehreren Jahren die Bemühungen von Daugavpils, den lettischen Wurzeln ihres berühmten Auswanderers nachzuspüren.
„Es ist sehr bewegend für mich“, sagte er der dpa zur Eröffnung des Kunstzentrums. „Als ich aufwuchs, hatte ich nur eine vage Vorstellung von Daugavpils. Ich hatte nicht wirklich ein Gefühl dafür gehabt, was es war, wo es war und was es für meinen Vater bedeutete. Nachdem ich hierhergekommen war, habe ich natürlich die Bedeutung nachvollziehen können. Mein Vater ist nicht einfach nur jemand, der in den USA stattgefunden hat, sondern eine Vergangenheit und Wurzeln hier hatte. Ich denke, das ist wirklich etwas, das Daugavpils der Welt nun mitteilen kann, eine Geschichte, die es erzählen kann.“
„Das Kunstzentrum wird unserer Stadt internationale Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen“, hofft Bürgermeisterin Zanna Kulakova. Sie erwartet zudem Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung in einer strukturschwachen Region an der Grenze zu Weißrussland und Litauen, die von hoher Arbeitslosigkeit und Abwanderung geprägt ist.
Doch ob das „Mark Rothko Kunstzentrum“ neben der kulturellen Blüte auch zum wirtschaftlichen Aufbruch in der mit rund 101 000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Lettlands führt, wird sich erst noch zeigen. Zunächst einmal muss es selbst pro Jahr rund 90 000 Besucher anlocken, um eine „schwarze Null“ zu erwirtschaften.