Londons Tate Modern feiert Gerhard Richter
Von der Tate Modern bis zu Christie's: Die Kunst von Gerhard Richter ist in diesem Herbst in London allgegenwärtig. Eine große Retrospektive und eine rekordverdächtige Auktion stehen an.
London (dpa) - Gerhard Richter, wortkarg und publikumsscheu, hat in der Tate Modern in London die Lacher auf seiner Seite. Das führende Museum an der Themse widmet dem berühmten deutschen Gegenwartskünstler aus Anlass seines 80. Geburtstags im Februar 2012 eine umfassende Retrospektive. Aber auf die Frage, was er davon halte, dass sein Gemälde „Kerze“ aus dem Jahr 1982 bei einer Londoner Auktion in der nächsten Woche bis zu 10 Millionen Euro einbringen solle, sagt er: „Das ist genau so absurd wie die Bankenkrise - unverständlich, albern, unangenehm.“
Mit der Retrospektive „Gerhard Richter: Panorama“ will die Tate Modern ab diesem Donnerstag (6. Oktober) bis zum 8. Januar seinen Besuchern einen Künstler näherbringen, der gezeigt hat, wie sich „die Malerei mit den Desastern der Geschichte auseinandersetzen kann“, sagt Kurator Mark Godfrey.
Mit seinen vielfältigen Techniken und Kunstformen sei es Richter gelungen, den Kontrast zwischen dem „Wichtigen und dem Banalen“ zu betonen und eine Verbindung zwischen abstrakter und figurativer Kunst herzustellen. „Die Herausforderung besteht darin, dass es keine zentrale oder singuläre Interpretation gibt,“ sagt Tate-Direktor Nicholas Serota über das Werk Richters.
Die markanten Eckpunkte seiner „bemerkenswerten Karriere“ stellt die Tate in chronologischer Anordnung in 13 Ausstellungsräumen vor. Startpunkt sind die auf Fotografien beruhenden realistischen Schwarz-Weiß-Gemälde der 60er Jahre, darunter „Bomber“, „Tante Marianne“ und „Rudi“, der Onkel in Wehrmachtsuniform. Godfrey würdigt Richter als einen der ersten deutschen Nachkriegskünstler, die einen „Zusammenhang zwischen Familie und Vergangenheit“ hergestellt haben.
Weiter geht die Reise durch die nahezu 50-jährige Schaffensperiode Richters mit der Serie zerstörter Städte und Landschaften, einschließlich „Mondlandschaft“ (1960) und „Seestück“ (1970) - ein Gemälde mit dem Richter laut Tate den „Bruch mit Caspar David Friedrich“ manifestiert hat.
Über die „grauen“ Bilder - laut Richter „die einzige Farbe, in der sich das Elend des Lebens darstellen lässt“ - führt die Ausstellung in die Farbexplosionen der großen abstrakten Gemälde, darunter „Gelbgrün“ und „Chinon“ aus dem Centre Pompidou in Paris. Der erste von Richter genutzte Spiegel aus der Kunsthalle Düsseldorf sowie riesige Glasskulpturen und ein Porträt seiner Tochter „Betty“ sorgen für Kontraste.
Erstmals in Großbritannien zu sehen sind auch Richters Gemälde „September“ über die Terroranschläge 2001 in New York sowie seine Serie von grau verschwommenen, auf Fotos basierenden Gemälden der Führungsköpfe der ehemaligen Baader-Meinhof-Gruppe (zum Beispiel „Erschossener I“ und „Erschossener II“ (1988) mit Andreas Baader oder „Tote“ (1988), das Ulrike Meinhof als Leiche zeigt).
Entlassen wird der Besucher in das Tate-Café, deren Wände mit einer Foto-Version der 48 Porträts berühmter Männer geschmückt sind, die Richter für Venedigs Biennale 1972 schuf - und die als Deutschlands „schwierige Suche nach einer Vaterfigur“ interpretiert worden sind.