„Großes Werk“ Mannheim feiert seine neue Kunsthalle
Mannheim (dpa) - Deutschlands derzeit größter Neubau eines Kunstmuseums steht funkelnd im Licht der Dezembersonne. Ein Geflecht aus Edelstahl spannt sich um die quadratische Fassade. Vor der modernen Mannheimer Kunsthalle erledigen Handwerker letzte Arbeiten, bevor Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Montag zur Schlüsselübergabe anreist.
Der Festakt ist für die Kulturszene im Südwesten eines der Highlights des Jahres. Das rund 70 Millionen Euro teure Sammlungshaus hat Strahlkraft über Baden-Württemberg hinaus.
„Unsere tolle Architektur ist das Gegenteil eines Elfenbeinturms, was ein Kunstmuseum sehr leicht werden kann, und steht für eine Öffnung des Hauses“, sagt Direktorin Ulrike Lorenz. Für die Gemälde und Skulpturen dürfte es nicht leicht werden, gegen die Attraktionen des Gebäudes anzukommen. Da sind die spektakulären Blicke nach draußen: auf der einen Seite Mannheims Wahrzeichen, der Wasserturm, auf der anderen Seite der rote Sandstein des Muttergebäudes. Und da ist die Architektur mit Brücken, Treppengassen und riesigem Atrium.
Unter dem Glasdach hängt dort bereits die Installation „Sefiroth“ von Anselm Kiefer, mit fast drei Tonnen das schwerste Kunstwerk des Museums. In Mannheim wird die wohl weltgrößte Privatsammlung von Kiefer-Werken zu besichtigen sein. Es wird spannend sein zu sehen, wie die Kollektion des Duisburger Bauunternehmers Hans Grothe mit Meisterwerken wie Édouard Manets „Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko“, dem schreienden Papst von Francis Bacon oder den Skulpturen von Mario Merz und Henry Moore kontrastiert.
Doch noch sind viele Wände kahl. Nach Steinmeiers Besuch schließt die Kunsthalle wegen abschließender Innenarbeiten bis zum 1. Juni 2018. „Wir hätten wohl schon im Sommer nüchtern in den Blick nehmen müssen, dass eine Eröffnung am Jahresende nicht realistisch ist“, sagt Lorenz. Das sei im ersten Moment bitter. „Aber wir haben dieses Gebäude in zweieinhalb Jahren erstellt, das ist die positive Bilanz. Und wir sind im Budget“, sagt die seit 2009 amtierende Direktorin.
Der Entwurf des Neubaus spielt auf die historische quadratische Stadtstruktur von Mannheim an. Wie Häuser um einen Marktplatz gruppieren sich sieben Ausstellungsräume um das Atrium. Eine lange Treppe mit breitem Betonrahmen führt in die erste Etage. Dort gibt ein großes Fenster einen Panoramablick frei auf den nahen Wasserturm.
Überhaupt, die Fenster: Von der Süd- und Westseite lasse warmes volles Licht die Skulpturen aufleben, sagt Lorenz. Von Norden filtern die Bäume am Wasserturm die Sonnenstrahlen. Und auch zum Jugendstilbau hin ist die Front verglast - die Direktorin versteht das als Geste des Respekts für das Mutterhaus. Letztlich mache die Kunsthalle die Stadt zum Anschauungsobjekt, sagt sie.
Spätestens mit der Eröffnung im Juni soll das Herz der bildenden Kunst in Mannheim wieder stärker schlagen. Es geht nicht nur um mehr Platz für Gemälde und Skulpturen. Mit dem Neubau will sich das Museum der Kurpfalzstadt mit 300 000 Einwohnern neu erfinden. Die Digitalisierung der Kunstwerke läuft. „Kein Smartphone kann die Begegnung mit dem Originalkunstwerk ersetzen, aber das Publikum kann sich etwa seinen Katalog oder seine Führung selbst zusammenstellen“, meint die 1963 im thüringischen Gera geborene Kunsthistorikerin.
Die Initialzündung für das Projekt kam von dem Mäzen Hans-Werner Hector. Der gebürtige Pfälzer spendete 50 Millionen Euro. „Die Stadt selbst stellt zum Beispiel die Außenanlagen fertig und hat zehn Millionen Euro zum Baubudget beigetragen“, sagt Lorenz. „Es ist aus meiner Sicht einmalig, dass dieses öffentliche Museum mit überwiegend privaten Mitteln ermöglicht wurde“, betont Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD). „Der Ort hat das Potenzial, die Stadt anders zu repräsentieren und ein interessanter Begegnungsort zu werden.“
Kurz, der zum Festakt neben Steinmeier auch Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) erwartet, hält die Kunsthalle für „ein großes Werk mit der Qualität, Jahrzehnte zu überdauern“. Doch es ist auch ein Wagnis, dass die Stadt da eingeht. Viele Mannheimer zweifeln, ob sich der durchaus spröde Neubau harmonisch in eine urbane Nahtstelle mit Jugendstilensemble fügt.
„Einfallsloser Klotz“ und „Seelenloses Vorstadt-Parkhaus“ hieß es etwa in Leserbriefen. „Das war die große Herausforderung: Den Aufbruch in die Moderne an einem Platz zu realisieren, der vom Beginn des 20. Jahrhunderts stammt“, sagt Kurz. „Ich finde, dass das Haus die Voraussetzungen erfüllt: klare Position und doch auch Zurückhaltung. Insofern ist es ein ungeheurer Gewinn für die Stadt.“