Von Athen nach Kassel Per Götterpferd durch Europa: documenta-Reiter am Ziel

Kassel (dpa) - Gegen ein Götterpferd hat selbst ein Bundespräsident keine Chance: Vor einem Monat hatte Deutschlands Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier die documenta in Kassel vor einigen Tausend Zuschauern eröffnet.

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Doch als am Sonntag der sechsjährige Hengst Hermes mit vier Wanderreitern und ihren Pferden in Kassel einrückt, ist es ein Vielfaches an Zuschauern auf dem Kasseler Friedrichsplatz.

Über 20 Hobbyreiter begleiten den Tross auf dem letzten Streckenabschnitt. Nach 3000 zurückgelegten Kilometern endet so eine der meistbeachteten Aktionen der bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst. Eine Frau und drei Männer haben dabei in 100 Tagen mit Pferden die Strecke vom documenta-Standort Athen zur documenta-Heimatstadt Kassel zurückgelegt.

Die Ankunft am Kunstwerk „Parthenon der Bücher“, einem Büchertempel, ist für Mensch und Tier eine Herausforderung. Die Tiere sind sichtlich nervös angesichts der Menschenmassen. Und Hengst Hermes, benannt nach dem griechischen Götterboten, zeigt wenig Ehrfurcht vor der Kunst: Er verrichtet sein Geschäft in aller Öffentlichkeit. Dann unterbricht er mit lautem Wiehern den Schöpfer des Kunstprojekts, den Schotten Ross Birrell.

Birrell nimmt es mit Humor. Schließlich sei Hermes der Grund, warum man überhaupt hier sei. „Er ist das Geschenk, das Griechenland Deutschland und Kassel macht“, sagte Wanderreiter Peter van der Gugten. Er hat Hermes zusammen mit den Deutschen Tina Boche und David Wewetzer sowie dem Ungarn Zsolt Szabo nach Kassel gebracht. Vorwärts ging es nur zu Pferd.

Hermes gehört zu einer aussterbenden Art, den Arravani. Von den griechischen Gangpferden gibt es nur noch 700. Hermes stehe aber auch für die „unglaubliche Gastfreundschaft“, die den Reitern auf der Tour durch sieben Länder begegnet sei, sagte van der Gugten: „Das einzige Problem waren Grenzen und Verwaltungen.“ Einmal habe man sechs Tage warten müssen, weil ein Stempel nicht die richtige Farbe gehabt habe. „Autos kommen problemlos über die Grenze, Pferde nicht - das kann nicht sein“, sagt der Schweizer.

Die Reiter und Künstler Birrell nutzen das Ende der Aktion für einen Appell an alle Europäer: Das „Wir“ in Europa sei wichtiger als jeder einzelne.

Für das documenta-Projekt „The Transit of Hermes“ (Die Durchreise des Hermes) gab es ein historisches Vorbild. Der schweizerisch-argentinische Reiter Aimé Félix Tschiffely reiste zwischen 1925 und 1928 von Buenos Aires nach New York.

Mit der Ankunft in Kassel ist Birrells Projekt nun abgeschlossen. Die Reiter werden laut den documenta-Machern am Montag wieder abreisen. Für Hengst Hermes ist das Abenteuer noch nicht vorbei. Er wird Peter van der Gugten zunächst in die Schweiz begleiten. „Wir suchen noch nach einem Züchter in Deutschland“, sagte der Wanderreiter. Wenn der gefunden sei, solle Hermes helfen, die Rasse der Arravani zu erhalten.

Die Kunstaustellung documenta endet in Athen am 16. Juli, in Kassel dauert sie bis zum 17. September. Mehr als 160 Künstler zeigen in der nordhessischen Stadt an 30 Standorten ihre Werke.