Pollock-Gemälde wird nach 65 Jahren gereinigt

Düsseldorf (dpa) - „Number 32“ kann man durchaus als Heiligtum der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen bezeichnen - auch wenn die Entstehung fast profan war: Der amerikanische Künstler Jackson Pollock (1912-1956) stiefelte 1950 in seinem Atelier auf der am Boden liegenden, zwölf Quadratmeter großen Leinwand herum und schüttete, tropfte oder spritzte schwarzen Industrielack auf den unbehandelten Baumwollstoff.

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Heute gehört „Number 32“ zu den Ikonen der amerikanischen Nachkriegsmalerei und gilt als eines der radikalsten Werke des abstrakten Expressionismus.

Der Gründungsdirektor der Kunstsammlung, Werner Schmalenbach, kaufte mit seinem untrüglichen Gespür „Number 32“ schon 1964 für die Landesgalerie in Düsseldorf an. Doch auch ein Heiligtum wird mal staubig. Erstmals nach 65 Jahren wird „Number 32“ gereinigt. Hinter schwer gesicherten Eisentüren im Kellerdepot des Museums hat sich Otto Hubacek (63), Abteilungsleiter Restaurierung in der Kunstsammlung und ehemaliger Chefrestaurator an der Nationalgalerie Berlin, ans Werk gemacht.

„Wir haben uns nicht leicht damit getan“, sagt Direktorin Marion Ackermann. „Unser Pollock ist so heilig.“ Es soll sogar Fans geben, die beim Besuch der Kunstsammlung nie vergessen, bei Pollock vorbeizuschauen. Selbst das Blog-Magazin der Kunstsammlung ist nach dem wandfüllenden Tropfen- und Schlierenbild (Drip Painting) benannt: „#32“.

Gräulich-gelb ist die Leinwand mit den Jahren geworden. Den über und über schwarz bespritzten Stoff wieder aufzuhellen, ist eine Wissenschaft für sich. Hubacek diskutierte über Monate mit internationalen Kollegen und recherchierte im Museum of Modern Art in New York. Doch mit herkömmlichen Bürstchen und Mikrofaser-Schwämmchen eine 2,69 mal 4,57 Meter große Leinwand zu bearbeiten, kam für ihn nicht in Frage. Hubacek entwickelte seine eigene Methode, die er demnächst im MoMa vorstellen wird.

Er baute sich ein Feinstrahlgerät zurecht, das mit Hochdruck Weizenstärke auf die Leinwand bläst. Mit ähnlichen Geräten arbeiten auch Papierrestauratoren. Die aufgepustete Stärke entfernt er vorsichtig mit einem Industriestaubsauger, an dessen Schlauch eine Minibürste steckt.

Das Pollock-Bild „ist unser Prunkstück“, sagt Hubacek. Und weil die Arbeit so diffizil ist, denn es dürfen nur die hellen Leinwand-Flächen gesäubert werden, arbeitet er seit Wochen allein. Er arbeitet sich Quadratzentimeter für Quadratzentimeter auf den manchmal winzig kleinen Flächen zwischen den schwarzen Lacktropfen, Schlieren und Klecksen vor.

Zwei bis drei Stunden braucht Hubacek für eine Fläche von 30 mal 40 Zentimetern, 200 bis 300 Stunden für das ganze Bild - eine wochenlange Arbeit mit Stirnlampe und Vergrößerungsbrille. Dennoch arbeitet Hubacek lieber allein am Feinstrahler. „Das ist wie eine Handschrift.“ Man würde die Unterschiede sehen, wenn andere Mitarbeiter die Leinwand bearbeiteten. „Es kommt sogar auf den Winkel an, wie man das Gerät ansetzt.“

Das Weizenmehl darf auch nicht auf die schwarzen Flächen geraten. „Selbst feine Substanzen könnten das Schwarz schon verändern.“ Zwar soll „No 32“ gereinigt werden, aber der Stoff darf nicht etwa gebleicht werden. „Es wäre ein Unding, es auf Helligkeit zu trimmen“, sagt Hubacek.

Bei seiner Reise über die Fläche von „No 32“ entdeckte Hubacek noch viele andere Flecken: Schuhabdrücke und Kaffeespritzer. Die grauen Farbtropfen an den Rändern waren dagegen bereits vorher bekannt. Es sind wohl Spritzer von dem Bild, das Pollock gleich neben „No 32“ am Boden bearbeitete.

Keine der authentischen Arbeitsspuren darf weg, da sind sich Direktorin Ackermann und Hubacek einig. „Wir sind der Meinung, die Kaffeeflecken gehören zum Werk, sie sollen nicht verschwinden.“ Pollock scheinen die Spuren auch nicht gestört zu haben, sonst hätte er sie sicher weggewischt.