Kunstmuseum Solingen Zentrum für verfolgte Künste: Große Themen statt großer Namen

Ab Mittwoch ist im Solinger „Zentrum für verfolgte Künste“ eine einzigartige Schau über geächtete Kunst und den künstlerischen Umgang mit Krieg und Holocaust zu sehen.

Foto: Christian Beier

Solingen. Seit Mittwoch können Besucher im Kunstmuseum Solingen eine weltweit einzigartige Ausstellung sehen. Das „Zentrum für verfolgte Künste“ zeigt die Sammlung Gerhard Schneider: Künstler, deren Schaffen als „entartete Kunst“ verboten wurde. Am Dienstagabend wurde das Zentrum unter anderem von Bundestagspräsident Norbert Lammert offiziell eröffnet.

Foto: Christian Beier

In der Ausstellung finden sich zwar Bilder bekannter Maler wie Emil Nolde, Kurt Schwitters und Paul Klee. Doch im Mittelpunkt stehen sie nicht. „1600 Künstler sind von den Nazis aus den Museen verbannt worden, 1580 kamen nicht wieder hinein. Um die kümmern wir uns“, sagt Dr. Rolf Jessewitsch, Direktor des Kunstmuseums. Roter Faden der Schau sind keine großen Namen, sondern große Themen: Krieg, Leid, Tod, aber auch Hoffnung, Freude und Erlösung. Das ist teils bedrückend, aber stets beeindruckend.

Ausstellung "Geächtete Kunst" in Solingen
12 Bilder

Ausstellung "Geächtete Kunst" in Solingen

12 Bilder

Die „Entartung“ hat viele Facetten. Das Museum zeigt zum einen Bilder, die sich direkt mit dem Schrecken des Krieges auseinandersetzen. Düster und beklemmend ist etwa Eduard Hopfs „Die Irre im Luftschutzkeller“; der Betrachter erfasst die Angst und den Wahnsinn sofort. Grausam und explizit dagegen Georg Netzbands „Der Ritterkreuzträger“, der noch gegen die Panzer zu kämpfen scheint, als ihm schon die Eingeweide aus dem Bauch quellen.

Dazu kommt Kunst, die nicht wegen ihrer Inhalte verboten wurde, sondern weil sie Schritte hin zur Abstraktion unternahm. Beispielhaft sind die Werke des Malers Valentin Nagel, einem Vertreter des Kubismus, der lange in Vergessenheit geraten war. Monumental in Erinnerung bleibt Florenz Robert Schabbons „Kniender männlicher Akt in Landschaft“. Meisterlich sind auch die Skulpturen von Milly Steger, die unter anderem in Düsseldorf und Wuppertal lebte.

Die Werke sind dabei nicht nur Kunst an sich, sondern werden in Solingen zum historisch-bürokratischen Zeugnis. Zu sehen ist, wie sie durch einen Aufkleber der Nazis als „entartet“ klassifiziert sind. Bei einigen Zeichnungen ist der rote Strich zu sehen, mit dem die Werke vom Zensor abgelehnt wurden.

Außerdem beherbergt das Museum die Literatur-Sammlung Jürgen Serke, die von der Wuppertaler Else-Lasker-Schüler-Stiftung eingebracht wurde. Neben Autoren, die durch die Bücherverbrennung der Nazis aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen werden sollten, beschäftigt sie sich auch mit Vertretern der Bürgerbewegung in der DDR.

Bis Ende Januar sind überdies Sonderausstellungen zu sehen. „Spots of Light“, sonst in Yad Vashem in Jerusalem zu sehen, dokumentiert die Schicksale von Frauen während des Holocausts — auch das ist einzigartig. Von Michel Kichka sind Originale seines Comicromans „Zweite Generation“ ausgestellt; Kichkas Vater hat den Holocaust überlebt.

Wie die späteren Generationen mit dem Holocaust umgehen, ist auch Thema der dritten Ausstellung „Der Tod hat nicht das letzte Wort“. Unter anderem zeigt sie die umstrittene Video-Installation „Dancing Auschwitz“ von Jane Korman, in der Überlebende mit ihren Kindern und Enkeln in Auschwitz und Theresienstadt tanzen. Kurator Jürgen Kaumkötter: „Es gab viele Diskussionen, ob Kunst so etwas darf und ob wir das ausstellen sollen. Aber wir wollen eben auch Freude zeigen und das Leben feiern.“