Russlands erstes Jüdisches Museum wirbt für Toleranz
Moskau (dpa) - Die zu Sowjetzeiten lange unterdrückten Juden feiern selbstbewusst in Moskau ihr erstes Jüdisches Museum und Zentrum für Toleranz - das größte im postkommunistischen Raum.
Kremlchef Wladimir Putin, der einst ein ganzes Monatsgehalt spendete, um dem Projekt auf die Sprünge zu helfen, fehlt zwar bei der Eröffnung. Aber er lobt in einem Grußwort den Beitrag für den Dialog in der multiethnischen Gesellschaft.
An diesem Freitag, als Deutschland der Reichspogromnacht von 1938 gedenkt, rufen die russischen Juden zu friedlichem Miteinander auf - auch weil in Moskau und anderswo immer wieder Rechtsextreme auf den Straßen marschieren. „Für uns ist heute das wichtigste Ziel, so zu leben, dass wir einander nicht stören“, sagt der Präsident der Föderation der jüdischen Gemeinschaften Russlands, Alexander Boroda.
Jeder sei hier eingeladen, seine Geschichte zu erzählen. Die von Sponsoren und reichen Juden für einen zweistelligen Millionenbetrag inszenierte Ausstellung bietet ein 4D-Kino und viele Flächen, die wie ein iPad beim interaktiven Lernen helfen. In der rund 9000 Quadratmeter großen Backsteinhalle des legendären Architekten Konstantin Melnikow dreht sich nun alles um jüdisches Leben in Russland und seine Geschichte.
„Es geht hier um soziales Lernen. Das alles soll Spaß machen, auch wenn alles wissenschaftlich fundiert und das Thema sehr ernst ist“, sagt der US-Ausstellungsdesigner Ralph Appelbaum. So etwas gebe es bisher nicht in Russland. Überall flimmern auf Bildschirmen und Leinwänden bewegte Bilder vom Zweiten Weltkrieg, von Zeitzeugen, die sich an die Judenverfolgung durch die Faschisten erinnern und mit Aufnahmen vom Leben einfacher Juden.
Das alles gibt es inmitten spektakulärer Installationen etwa eines T-34-Panzers und eines Flugzeugs. Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew hat eigens historische Dokumente für die Schau freigegeben, wie die Organisatoren mitteilen. Der Sprecher der Moskauer Jüdischen Gemeinde, Boruch Gorin, erinnert bei einem Rundgang daran, dass Juden unter Sowjetdiktator Josef Stalin Opfer von blutigem Staatsterror wurden und auch oft nicht einmal studieren durften.
Auch das Aufatmen nach dem Zerfall der Sowjetunion, als viele russische Juden nach Deutschland und Israel flohen, erwähnt Gorin in diesem ehemaligen Fahrzeugdepot aus den 1920er Jahren. Die zuletzt übergangsweise als Kunstmuseum genutzte Halle war schon vor längerer Zeit von der Stadt Moskau der Jüdischen Gemeinde übergeben worden.
Viele der benachbarten Gebäude werden bereits von jüdischen Institutionen genutzt. Es gibt eine Schule und eine Universität, eine Suppenküche sowie ein Gesundheitszentrum. Dies alles dient nach Gemeindeangaben auch dem Ziel, den Zehntausenden Juden in Europas größter Stadt wieder eine echte Zukunft zu bieten.
Bislang sah sich Russland von Menschenrechtlern eher dem Vorwurf ausgesetzt, bei der Aufarbeitung zum Beispiel der Stalin-Diktatur zu versagen. Unter Leitung des Deutsch sprechenden Direktors Simon Hewitt sollen hier nicht allein der Holocaust oder das Leid zu Sowjetzeiten im Mittelpunkt stehen, sondern die optimistischen Einblicke in jüdisches Leben mit ihren Festen und Bräuchen.
Zu der Begegnungs- und Erinnerungsstätte gehören auch ein Kindermuseum, Wechselausstellungen und ein Zentrum für jüdische Studien sowie ein Café. Zwar mussten die Initiatoren wegen der Finanzkrise und wegen des Denkmalschutzes Abstriche von ihren ursprünglich größeren Bauplänen machen. Das Museum werde sich aber auch künftig weiter entwickeln, verspricht Hewitt.