"The Family Of Man": Clervaux setzt ein Zeichen der Menschlichkeit
Die größte Fotoausstellung aller Zeiten ist in Luxemburg zu sehen.
Clervaux. 503 Bilder von 273 Fotografen aus 68 Ländern: Schon die Zahlen sind beeindruckend. Die Werke selbst sind es umso mehr: Mit der Wiedereröffnung der Ausstellung "The Family Of Man" setzt eine kleine Stadt im Großherzogtum Luxemburg ein Zeichen für mehr Menschlichkeit. Dabei ist das Thema nicht neu: Die größte Fotoausstellung aller Zeiten, die nun in Clervaux zu sehen ist, wurde von Edward Steichen kreiert und 1955 im Museum of Modern Art (Moma) in New York eröffnet. Der amerikanische Fotograf und Kurator stammt aus Luxemburg - da lag es mehr als nahe, dass die Ausstellung, die von New York aus die Welt eroberte, in rund 150 Museen zu bewundern war und mehr als zehn Millionen Besucher begeisterte, heute als Dauerausstellung im grünen Norden Luxemburgs präsentiert wird.
Wer nicht weiß, dass sich im Schloss von Clervaux schwarz-weiße Kulturschätze aus aller Welt treffen, ahnt es kaum: Die größte Fotodokumentation aller Zeiten ist in einem 1100-Einwohner-Ort zu finden. Die Botschaft könnte auch nach fast 60 Jahren nicht mahnender sein: "Steichen hatte zwei Kriege erlebt", betont Kuratorin Anke Reitz. "Es ging ihm um den friedlichen Gedanken von Brüderlichkeit."
Die Fotos von spielenden Kindern, schwangeren Frauen oder hart arbeitenden Männern sind von keinen Schautafeln begleitet, sondern sollen für sich sprechen. Sie wirken austauschbar und genau das ist der Knackpunkt, für manche Besucher indes auch ein Kritikpunkt: Es gibt keine Erklärungshilfen an den Wänden - keine Hinweise darauf, wo und wann die Werke entstanden sind. Die Dokumentation soll durch den Einsatz der universellen Sprache der Fotografie das Verständnis zwischen den Menschen fördern. Das mag pathetisch klingen, verfehlt aber die gewünschte Wirkung nicht: Die Bilder berühren, weil sie zeitlos sind. Weil sie Gefühle, Freude, Trauer, Sehnsüchte spiegeln. Weil sie Emotionen transportieren, die alle Nationen kennen.
Reitz verschwiegt jedoch nicht, dass nicht alle Bild-Künstler begeistert gewesen seien, als sie hörten, dass ihre Werke ohne Fotografennennung und bunt gemischt präsentiert werden sollen. In der Tat: Wer sich durch die Teilnahme einen möglichen Karriereanschub erhoffte, Wert auf das eigene Prestige legte und auf eine herausragende Position innerhalb der Foto-Schau spekulierte, musste die eigenen Sehnsüchte überdenken. Vor allem die Profi-Riege habe durchaus skeptisch beäugt, dass auch Hobbyfotografen vertreten waren - genau das war allerdings wesentlicher Teil des Konzepts.
So meldeten sich am Ende diejenigen, denen das eigene Prestige zweitrangig war. In erster Linie ging es um die gemeinsame Botschaft: Edward Steichen (1879-1973) wollte Fotos aus aller Welt versammeln, schaltete Zeitungsanzeigen, sprach mögliche Wunschteilnehmer auch gezielt an. Das Ergebnis war überwältigend: Unter mehr als vier Millionen Einsendungen konnte Steichen auswählen. Er siebte in mehreren Runden aus, bis am Ende 503 Fotografien übrigblieben, darunter waren Werke berühmter Namen wie Henri Cartier-Bresson, Robert Capa, Anna Riwkin-Brick und Robert Doisneau. Sie alle komponierten "The Family of Man".
Die "Menschen-Familie" ist bis heute in 37 Themen gegliedert. Neben dem Arbeitsleben geht es vor allem um den kleinen, privaten, persönlichen Kosmos: Steichen spannt den Bogen von Liebe und Geburt bis zur Familie und Erziehung, vom Krieg bis zum Frieden.
Steichen selbst sprach sich für das Schloss Clervaux als permanenten Ausstellungsort aus - dort ist der universelle Foto-Reigen seit 1994 zu Hause. Nun wurden Renovierungsarbeiten am Schloss genutzt, um der ursprünglichen Hängung ein "frisches" Aussehen zu verleihen und der historischen Sammlung einen neuen, sanierten Raum zu geben. "Es gab zehn verschiedene Wanderausstellungen", erklärt Anke Reitz. "Wir zeigen die letzte Version - die große Vision." Auf weitere Reisen soll die legendäre Sammlung (erst einmal) nicht gehen. Nur fünf der 503 Fotos stammen übrigens von Edward Steichen selbst - ihm ging es darum, nicht sich selbst, sondern die Idee der Menschlichkeit in den Vordergrund zu rücken.