Trockel, die geniale Zeichnerin
Bonn präsentiert den Weltstar mit vieldeutigen Persiflagen.
Bonn. Rosemarie Trockel (59), Nummer Vier im internationalen Kunstmarktranking und Kunstprofessorin in Düsseldorf, ist bekannt für ihren subversiven Humor. Sie pflegt etwa Herdplatten aufzuhängen, an denen man sich tatsächlich verbrennen kann, oder die Zuschauer mit Schweinen in ein Gehege zu stecken.
Nun beweist sie mit 200 Zeichnungen im Bonner Kunstmuseum ihre Freude am doppelsinnigen Spiel. Es ist die größte Retrospektive über ihr kleinstes, zuweilen nur postkartengroßes Format, geworden.
Die Ironie ist ihr wichtigstes Instrument. Im Vexierspiel gibt sie einem Männlein das Unterteil einer Wassernixe oder rammt dem schönen Schauspieler Jean Marais einen Ast in die Nase.
Eine Tusche, die eine Rodin-Figur zeigt, betitelt sie „Ich bin der Mann meiner Frau“ und macht sich über den Macho-Künstler lustig, der die Könnerschaft seiner Frau herunterspielte. Trockel entwickelt maskenhafte Wesen aus Schraffuren und dem Wechsel von Positiv und Negativ.
Ihre Silhouetten wandeln sich vom Mensch zum Tier, von der Chimäre zum Grotesken, indem sie die Linien sachte verschiebt. Sie legt Fotokopien übereinander und verwackelt die Konturen, so dass sich die Gestalten nicht fassen lassen. Aus den Prints der Bardot macht sie ein verzerrtes Bild der Schauspielerin. Die Integrität des Ichs wirkt stets bedroht.
Sie schlüpft gern in die Rolle einer Feministin, die sie nicht ist. Im Vexierbild scheint das Männliche im Weiblichen auf und umgekehrt. Der nackte Kerl hat weiche Knie, die junge Frau einen Bauch unter der zugeknöpften Weste — ein Ball oder eine Schwangerschaft? „Alles ist beinahe falsch“, nennt sie ein Blatt.
Vieles erschließt sich durch die Titel. „Vater morgana“ heißt ein kopfloses Mannsbild, bei dem man rätselt, ob der schwarze Strich in der Hand ein Penis oder nur ein Pinselhieb ist. „Ei-Ronny“ ist sowohl eine Revolverheldin als auch eine Verballhornung ihres schalkhaften Tuns. Aus der Beuys-These, jeder Mensch sei ein Künstler, macht sie die Behauptung, jedes Tier sei eine Künstlerin.
Bevor Rosemarie Trockel am 8. Oktober in Goslar den Kaiserring empfängt, offenbart sie im Bonner Kunstmuseum ihren schöpferischen Reichtum. Parallel dazu wollte Robert Fleck eigentlich ihr dreidimensionales Werk in der Bundeskunsthalle zeigen, blies dies jedoch ohne Begründung ab und ersetzte es durch eine Liebermann-Schau ohne nennenswerte Hauptwerke.