Van Goghs „Sonnenblumen“ in der National Gallery
London (dpa) - In Raum 46 der National Gallery am Trafalgar Square in London können Besucher neuerdings „Suchen Sie den Unterschied“ spielen.
Erstmals seit 65 Jahren werden dort zwei der von Vincent van Gogh 1888/89 in Südfrankreich geschaffenen „Sonnenblumen“-Gemälde gegenübergestellt. Eines stammt aus dem Besitz der National Gallery, das andere ist eine Leihgabe des Van Gogh Museums in Amsterdam. Röntgenbilder und neue Forschungsmethoden machen feine Unterschiede zwischen den Bildern - und im Vorgehen des Künstlers - deutlich. Die Ausstellung läuft vom 25. Januar bis zum 27. April. Der Eintritt ist frei.
Van Gogh malte die Serie der „Sonnenblumen“ in Vorfreude auf einen Besuch seines großen Vorbilds Paul Gauguin in Arles wo die beiden Künstler ein „Studio des Südens“ eröffnen wollten. Der Holländer wollte damit das Zimmer für Gauguin im „Gelben Haus“ in Arles dekorieren. Sonnenblumen waren für ihn ein Symbol von Glück, Wärme und Freundschaft. Seit dem Sommer 1888 arbeitete er fieberhaft an der Serie. „Ich male mit demselben Enthusiasmus, mit dem die Leute in Marseille ihre Bouillabaisse essen“, schrieb Vincent an seinen Bruder Theo. „Ich arbeite jeden Morgen bei Sonnenaufgang, denn die Blumen verblassen so schnell.“
Anhand von Röntgenaufnahmen und forensischen Untersuchungen haben Experten beider Museen eindeutig feststellen können, dass das im August 1888 entstandene und 1924 von der National Gallery erworbene Gemälde die Grundlage für das Gemälde in Amsterdam war. Dies entstand fünf Monate später, nach dem spektakulären Ende der Freundschaft zwischen van Gogh und Gauguin.
Bei der Londoner Version malte der damals stark von japanischer Kunst beeinflusste Van Gogh den Sonnenblumenstrauß frei nach der Natur. Die „Wiederholung“ im Van Gogh Museum von Amsterdam entstand nach seiner Vorlage. Die Farben der Amsterdamer Sonnenblumen sind reichhaltiger, extravaganter, fast abstrakt, sagte Chefkurator Christopher Riopelle am Freitag. „Für van Gogh waren dies keineswegs Kopien, sondern stets eine Überarbeitung und Verbesserung. Es ist faszinierend zu sehen, wie er das Thema der Sonnenblume ausbaut, belebt und immer wieder neu erfindet.“
Gegenwärtig sind noch fünf der insgesamt sieben Gemälde aus der Serie in öffentlichen Institutionen. Eine Version wurde zum Kriegsende 1945 in Tokio zerstört, eine andere befindet sich in Privatbesitz. Die Neue Pinakothek in München verfügt über eines der beiden Gemälde, die van Gogh für das Zimmer von Gauguin malte. Die beiden anderen Versionen - oder „Wiederholungen“ - wie van Gogh sie nannte - sind in Museen in Tokio und Philadelphia zu sehen. Nach Ansicht von Riopelle dürften „mindestens weitere 65 Jahre“ bis zu einer erneuten Gegenüberstellung der „Sonnenblumen“ vergehen. „Kein Museum trennt sich gerne von einem so zentralen Stück seiner Sammlung.“