Verloren im Reich der Mitte
Die „Kunst der Aufklärung“ in Peking interessiert nur wenige. Kritiker in Deutschland fordern die Schließung.
Peking. Wer die „Aufklärung am Platz des Himmlischen Friedens“ in Peking finden will, muss lange suchen. „In den zweiten Stock“, zeigt die Dame an der Information des Nationalmuseums, als wenn sie es genau wüsste. Wegweiser gibt es nur für das antike China und die Propagandaschau „Der Weg der Wiederauferstehung“.
Im zweiten Stock herrscht erstmal Ratlosigkeit. Auf Nachfragen geht einem Museumswärter ein Licht auf: „„Sie müssen wieder runter und die gegenüberliegende Rolltreppe nehmen.“ Dort also versteckt sich „Die Kunst der Aufklärung“, das größte und zurzeit umstrittenste deutsche Kulturprojekt im Ausland.
In Deutschland kocht die Kontroverse um die zehn Millionen Euro teure Ausstellung und eine begleitende Gesprächsreihe „Aufklärung im Dialog“ gerade so richtig hoch. Deutschland werde in China „wie ein Vasallenstaat“ vorgeführt, bemängeln Kritiker.
Es begann damit, dass China dem beteiligten Schriftsteller und Sinologen Tilman Spengler in Begleitung von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die Einreise verweigerte. „Kein Freund Chinas“, wurden die Deutschen brüskiert. Kaum war die Ausstellung eröffnet und Westerwelle abgereist, wurde der berühmte chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei festgenommen.
Kritiker in Deutschland fordern die Schließung der Ausstellung, die in China selbst aber wenig Beachtung findet. Tilman Spengler sprach sich gegen einen Abbruch aus. „Abbrechen ist so doof wie verbieten — sehr weit weg von Aufklärung.“
Die Festnahme von Ai Weiwei habe womöglich nichts mit der Ausstellung zu tun. Der Kulturaustausch zwischen China und Deutschland darf auch nach Ansicht der NRW-Kunstsammlungschefin Marion Ackermann nicht abgebrochen werden: „Wir wüssten nichts über das Schicksal Ai Weiweis und anderer verfolgter Künstler, wenn es nicht eine Begegnung mit China gäbe.“
Besucher interessieren sich für die „Aufklärung“ nur wenig. Wahrscheinlich nicht zuletzt, weil der Eintritt umgerechnet 3,20 Euro kostet, während die anderen Ausstellungen kostenlos sind. Für das Geld lässt sich in Peking mehrmals Mittag essen.
Die drei Hallen mit den 600 Exponaten sind darum weitgehend leer. Nur drei bis vier Dutzend Besucher lassen sich zählen. Auf die Frage, ob er politische Botschaften erkennen könne, reagiert ein junger Chinese verwirrt: „Ich verstehe nichts von Aufklärung.“
Die im Vorfeld viel gerühmten „Medienstationen“, die Besuchern den geistigen Aufbruch Europas erklären sollen, stehen in Einzelteilen am Rand, sind noch nicht zusammengebaut. „Ich habe über die Aufklärung gelesen, aber verstehe sie nicht wirklich“, verrät Zhuang Chengheng, selbst Mitarbeiter eines Museums in Shenzhen.