Vom Kartoffelchip zum Museum - Thomas Schüttes Ausstellungshalle
Düsseldorf (dpa) - Am Anfang standen ein Acker, eine Streichholzschachtel und ein gebogener Kartoffelchip: Der international renommierte Bildhauer Thomas Schütte (61) hat in Neuss bei Düsseldorf seine eigene Ausstellungshalle bauen lassen.
Wie ein Ufo steht die ellipsenförmige Halle mit dem geschwungenen Dach nun auf einem frisch gepflügten Acker.
„Ich wollte etwas Bleibendes schaffen“, sagte der mehrfache Documenta-Teilnehmer und Gewinner des Goldenen Löwen 2005 der Biennale Venedig am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Denn die Kunstwelt befinde sich heutzutage „immer auf Rädern, immer auf Lastern“ und wie ein Musiker sei sie immer „im Aufbau und im Abbau“ begriffen.
Der gebürtige Oldenburger Schütte, der in Düsseldorf lebt, hat edelrostigen Großskulpturen wie etwa „Vater Staat“ geschaffen, dessen Gesichtszüge Finanzminister Wolfgang Schäuble ähneln, aber auch rätselhafte Wesen, die er „Fremde“, „Ganz große Geister“ oder „Krieger“ nennt. Schütte zählt zu den bedeutendsten Bildhauern Deutschlands, seine Werke werden in den großen internationalen Museen gezeigt - demnächst im MoMa in New York.
Der schillernden Kunstszene entzieht sich der Kettenraucher, der oft eine Strickmütze trägt, allerdings so gut er kann. Das Grundstück für seine Halle - zweieinhalb Hektar Acker - sei ihm vor fünf Jahren am Skat-Tisch angeboten worden, erzählt der zumeist medienscheue Künstler dann doch freimütig vor Journalisten. Später tauschte er es mit einem Bauern gegen ein näher an der einstigen Nato-Raketenstation Hombroich und der Langen Foundation liegendes Grundstück.
Schüttes privates Museum ergänzt nun dieses moderne Kunstareal mitten auf dem Land, das auch ohne Waffen immer noch den Beinamen Raketenstation trägt. „Ein Geschenk für die Öffentlichkeit“, sagt Oliver Kruse, Vorstand der Stiftung Insel Hombroich.
Schütte aber denkt bereits an die Zukunft - ohne ihn. Er gründete eine Stiftung, in die er seine 18 „Frauen“-Skulpturen“ einbrachte sowie sechs weitere Großskulpturen. Mit dem Geld aus dem Verkauf dieser sechs Arbeiten habe er die Baukosten in Höhe von 6,5 Millionen Euro bestritten sowie den Betrieb für die nächsten vier bis fünf Jahre gesichert.
Die Stiftung soll außerdem einmal seinen Nachlass verwalten. „Was mache ich mit den ganzen Sachen? Ich kann es ja nicht unsortiert hinkippen“, sagt er in seinem unverwechselbaren ironischen Unterton. „Der Trick ist: Wie verdient man Geld nach dem Tod?“
Zweimal im Jahr sollen in Schüttes Halle mit 610 Quadratmetern Fläche Ausstellungen gezeigt werden. Den Auftakt macht eine Schau mit Werken des italienischen Arte Povera-Klassikers Mario Merz (1925-2003). In einem rund 800 Quadratmeter großen und hoch gesicherten Kellerdepot inklusive klimatisiertem Grafikraum will Schütte hingegen seine eigenen Arbeiten einlagern. Allein die 18 „Frauen“-Skulpturen würden bereits ein Viertel des Lagers füllen, sagt er.
Schütte ist nicht nur ein Bildhauer, er entwirft auch künstlerische Gebäude wie etwa den „Eispavillon“ für die Documenta im Jahr 1987. Und so lag es nah, dass sein eigenes Museum auch auf seiner eigenen Idee beruht. Im Schneetreiben habe er vor fünf Jahren das Grundstück besichtigt und später in einem „Büdchen“ eine Großpackung Streichhölzer und Chips gekauft. Daraus bastelte er ein erstes Modell. Das Düsseldorfer Architekturbüro RKW sorgte dafür, dass aus Schüttes Ideen eine genehmigungsfähige Großhalle wurde. In ihrem Zentrum befindet sich ein kleinerer, fast tempelartiger gemauerter Ausstellungsraum - typisch für Schüttes Kunst.
Schütte steht mit der Idee einer eigenen Ausstellungshalle nicht allein da. Der britische Bildhauer Tony Cragg, mit dem er befreundet ist, betreibt seit mehreren Jahren in Wuppertal den Skulpturenpark Waldfrieden. Dort zeigt Cragg andere Künstler, aber auch eigene Arbeiten. Schütte aber will eigentlich nur andere Künstler ausstellen.