Alle warten auf Madonna

Am Freitag erscheint ihr Album „Hard Candy“, produziert von Erfolgsgarant Timbaland. Das Motto: Keine Experimente.

Düsseldorf. So also sieht die Apokalypse aus. Alles verschwindet, die Materie löst sich auf - und mittendrin Madonna, die dem Nichts mit einem waghalsigen Veitstanz trotzt. Vier Minuten sind es noch, die der Menschheit auf ihrer aktuellen Single "4 Minutes" bleiben, bis alles Irdische sich in die ewigen Jagdgründe verabschiedet. Dann lieber vorher noch mal ordentlich abgehen. Wenn schon sterben, dann mit Schmackes.

Nichts Neues also im Hause Ciccone. Tanzen war für sie schon immer die Antwort auf alle Lebensfragen. In der Kirche ("Like a Prayer", 1989), im Swinger-Club ("Erotica", 1992), selbst auf dem Schlachtfeld ("American Life", 2003) räkelte sie sich rhythmisch und lieferte den Soundtrack zu Blasphemie, Fellatio und Friendly Fire. Warum dann nicht auch den Weltuntergang besingen? Wenn’s irgendwann mal so weit ist, sollen die Menschen schließlich zu ihrer Musik abtreten - mag sie sich gedacht haben.

Viel mehr als Gedankenspiele lässt die 49-Jährige auch nicht zu. Hermetisch wurden Presse und Fans von ihrem neuen Album "Hard Candy", das ab Freitag erhältlich sein wird, abgeschirmt. Aus Deutschland durften lediglich zwei Journalisten einer Listening-Session in New York beiwohnen. Nichts darf die Inszenierung als weltumspannendes Großereignis stören. Denn von Sao Paulo über Oslo bis Kuala Lumpur sollen die Fans alle am gleichen Tag das erhabene Gefühl haben, ein neues Madonna-Werk zu entjungfern.

Eines steht dabei jetzt schon fest: Es wird kein typisches Aha-Erlebnis geben, mit dem Madonna die Popwelt stets zu erschüttern wusste. Zum ersten Mal während ihrer Karriere ging die Queen of Pop auf Nummer Sicher, angelte sich mit Kanye West, Pharrell Williams und Timbaland die allererste Garde amerikanischer HipHop-Produzenten und nahm die erste Single mit Superstar-Kronprinz Justin Timberlake auf. Offensichtlich hatte sie es satt, in der Heimat als der Ex-Star zu gelten, der nur noch in Europa Erfolg hat. Ihr letzter Hit in den Staaten war im Jahr 2000 ("Music").

Die Rechnung, alles zu versammeln, was momentan Erfolg hat, ging auf. Das Prestige-Duett landete in den Top Fünf der US-Charts. In Europa ist der Song, wie bei Madonna gewohnt, flächendeckend Nummer Eins.

Trotzdem ist etwas anders. Und zwar, dass Madonna diesmal nicht anders ist, es wohl auch gar nicht sein will. Erste Singles waren bei ihr immer ein Erlebnis, vor allem deswegen, weil sie grundsätzlich mit etwas auf den Markt kam, was niemand erwartet hatte und sich widerspenstig gegen gängige Hörgewohnheiten auflehnte.

Da dachte man: Sakrament, Holla die Waldfee, da hat sie sich wieder mal was getraut, die alte Botox-Barbie. Diesmal gibt’s kein Sakrament, auch kein Holla, nur eine Waldfee, die ihren straffen, bald 50 Jahre alten Körper in ein fleischfarbenes Korsett zwängt und ihre Edel-Entourage die Arbeit machen lässt.

Musik spielt bei ihr nur noch eine untergeordnete Rolle. Stattdessen schreibt sie Kinderbücher, adoptiert Afrika leer und stellt auf der Berlinale ein Regiedebüt vor, das allgemein als erstaunlich unmisslungen goutiert wurde. Der Trendsetter der globalisierten Popwelt will sie aber nicht mehr sein.

Einen häufig bemühten Satz wird man diesmal also nicht lesen, nämlich, dass Madonna sich mal wieder neu erfunden habe. Immerhin!