Berauschender Gitarrenrock von The War On Drugs
Berlin (dpa) - Die Band nennt sich The War On Drugs - also: Der Krieg gegen Drogen, nach einem bitteren Mantra der US-Politik. Das neue Album klingt nun selbst wie ein Trip, die Songs sind berauschend - ein Gitarrenrock-Epos zwischen Tradition und Moderne.
Bisher waren The War On Drugs lediglich ein Geheimtipp - und ein großes Versprechen auf die Zukunft des Gitarrenrocks. Man traute Frontmann Adam Granduciel und seinen häufig wechselnden Mitstreitern nach den bescheidenen Anfängen vor rund zehn Jahren zwar zu, mit ihrem Sound zwischen Tradition und Moderne irgendwann einen Erfolgsweg einzuschlagen wie die ähnlich veranlagten Wilco, Arcade Fire oder The National. Doch erst jetzt, mit dem dritten Album, ruft das Quartett aus Philadelphia sein Potenzial ab.
Wer in diesem Jahr nach epischen Rocksongs für lange nächtliche Autofahrten sucht, kommt an „Lost In The Dream“ (Secretly Canadian) kaum vorbei. Schon der Opener „Under The Pressure“ dehnt und streckt sich über fast neun Minuten, ohne auch nur eine einzige Sekunde zu langweilen. Treibender Krautrock-Groove, vielschichtige Gitarren- und Elektronik-Texturen, der an Bob Dylan oder Tom Petty erinnernde lässige Näselgesang Granduciels - all dies und ein machtvoll röhrendes Saxofon verbinden sich zu einem unwiderstehlichen Sog.
„Red Eyes“ ist von vergleichbarer Magie - wie Bruce Springsteen auf Ecstasy. In der prächtigen Ballade „Suffering“ treten The War On Drugs zwischenzeitlich auf die Bremse, ehe mit dem stetig anziehendem Tempo von „An Ocean In Between The Waves“ der nächste, siebenminütige Gitarrenmahlstrom folgt. „Disappearing“ wird - wie später auch das monumentale Schlusslied „In Reverse“ - von einer sehnsüchtigen Mundharmonika-Melodie geprägt.
„Eyes To The Wind“, „Burning“ oder der Titelsong können ihre Nähe zu Springsteen ebenfalls nicht verheimlichen - nur dass der „Boss“ so schwerelos dahingleitende Folkrock-Juwelen schon länger nicht mehr zustande gebracht hat. „Supernatürlich“ hätten sich diese Lieder im Studio entwickelt, sagte Granduciel dem Magazin „Uncut“. Und überhaupt sei es eine Wohltat gewesen, dass The War On Drugs diesmal als kompakte vierköpfige Einheit funktionierten und nicht mehr nur als Vehikel für Granduciels zahlreiche, oft überbordende Ideen.
Während die bereits hochgelobten Vorgänger-Alben „Wagonwheel Blues“ (2008) und „Slave Ambient“ (2011) bisweilen noch etwas ziellos auseinanderdrifteten, klingt die Band diesmal so fokussiert wie noch nie. Der Druck, etwas wirklich Großes schaffen zu wollen, bereitete dem perfektionistischen Frontmann indes einige Probleme und zeitweise sogar Depressionen. „Es war nicht so schön, da durchzugehen. Aber es war schön, sich am Ende dann besser zu fühlen - mit etwas, auf das man stolz sein kann“, so Granduciel im Interview von „The Line Of Best Fit“. Ende gut, alles gut - man kann es spüren und hören.
Bliebe noch die Frage nach dem merkwürdigen Bandnamen. Ach, der habe keine persönlichen Hintergründe, sagte Granduciel zu „Fuse Weekly“. „Krieg gegen die Drogen - so etwas gibt es in keinem anderen Land. Wir sind eine amerikanische Band, also fand ich, dass es irgendwie passt.“ Nun ja... Solange die Musik des langhaarigen Sängers und Gitarristen einzig und allein positive Rauschzustände hervorruft wie auf „Lost In The Dream“, lässt sich auch mit solch kryptischen Begründungen leben. Den großen Traum des Späthippies Granduciel träumen Rockfans in diesem Jahr jedenfalls gerne mit.