„Boah“: Haftbefehl und Xatar rappen zusammen
Berlin (dpa) — Zwei Gangster-Rapper überlegen, wie sie den Rest des Tages verbringen. Xatar hängt in einem Berliner Hotel - Präsidentensuite, ist klar - auf dem Sofa und isst Trauben.
„Boah, lass Wellness machen“, sagt der 34-Jährige. Sein Offenbacher Kollege Haftbefehl antwortet: „Ich hab' Bock zu spazieren.“
Gangster-Rap spielt naturgemäß mit dem Image des Bösen - aber wie gefährlich sind die beiden Rapper eigentlich, die am Freitag (12. August) als Duo Coup ihr erstes gemeinsames Album „Der Holland Job“ veröffentlichen?
„Wir sind sehr gefährlich, deswegen ist es auch gut, dass ihr Furcht habt vor uns“, sagt Xatar und versteckt sich hinter seiner Sonnenbrille. „Wir können vom einen auf den anderen Moment voll ausrasten und alles aus dem Fenster schmeißen.“ Kurze Pause. „Natürlich ist das nicht so. Wir sind ganz normal.“
Ganz normal lesen sich die Biografien der beiden zwar eher nicht. Xatar saß wegen eines Überfalls auf einen Goldtransporter mehrere Jahre im Gefängnis. Haftbefehl wählte seinen Namen, weil die Polizei ihn suchte. Die beiden haben aber viele Erklärungen, warum manche sie für gefährlich halten. Nummer eins: Lautstärke. „Wir sind gewohnt, zuhause laut zu reden“, sagt Haftbefehl. „Wenn ein Deutscher laut wird, dann ist er sauer. Aber wir? Wir reden einfach so.“
Nummer zwei: Aussehen. „Bei uns in der Heimat sieht man so aus“, sagt Giwar Hajabi alias Xatar. Er ist in Bonn aufgewachsen, hat aber iranische, kurdische Wurzeln. „Da sieht auch ein Botaniker so aus wie ich. Oder der größte Spießer. Aber hier — das kennt man vielleicht aus Filmen — denkt man eher, dass wir böse sind. Weil wir ein bisschen größer und markanter aussehen, wir Ausländer.“
Nummer drei: „Dazu kommt noch unsere kriminelle Vergangenheit, die nicht heißt, dass wir Unmenschen sind“, erklärt Xatar. Früher seien sie auf der Straße unterwegs gewesen, das sei eine härtere Welt. „Und da kannst du nicht auf höflich in manchen Situationen, sonst überlebst du nicht. Aber mehr sag' ich dazu nicht.“
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indizierte ein älteres Album Xatars und stufte den Inhalt als „verrohend“ ein. Dagegen feiern Fans seine Songs und posten bei Facebook zum Beispiel „allergeilstes Video wallah“. Haftbefehl nennen viele seiner Anhänger liebevoll nur „Hafti“. Nicht nur in Offenbach und Berlin-Neukölln. Rap kommt oft von unten, von da, wo Menschen sich abgehängt fühlen. Und erzählt von anderen Lebensrealitäten als denen der Oberschicht.
„Wir versuchen, neue Themen anzusprechen“, sagt Haftbefehl. „Ich spring nicht auf den Zug. Sondern ich versuch', meinen eigenen Zug zu bauen.“ Haftbefehl hat mal ein Lied namens „CopKKKilla“ gemacht. Heute, wo in den USA massiv über Polizeigewalt gestritten und auf Polizisten geschossen wird, ein heikles Thema.
„Ich habe selber Polizeigewalt am eigenen Leib gespürt. Ich hab jetzt keinen Hollywood-Streifen geguckt und mir das ausgedacht“, sagt der 30-Jährige heute. „Ich hab aufgeschrieben, was mir passiert ist. Und was in Amerika grad abgeht, ehrlich. Auch in der Türkei — wie sich Polizisten dem Volk gegenüber verhalten — das ist für'n Arsch.“
Haftbefehl und Xatar beschäftigen sich auf dem neuen Album zwar viel mit Geld („500, die Zahl auf meinen Banknoten“), Drogen, Frauen und Bling-Bling. Aber der erste Song, den sie von der neuen Platte ausgekoppelt haben, ist politisch. „AFD“ ist ein Lied, in dem sich die beiden für Flüchtlinge einsetzen: „Flüchtlinge sichern Oma einfach die Rente“.
Warum wählen Leute die AfD? „Erstmal ist es so, dass sie das Versagen anderer Parteien ausnutzen. Und zweitens ist es populistisch“, sagt Xatar. Dass er damit im Rap-Genre wenig reißen wird, weiß er. Manche Fans reagierten nicht so gut auf den Song, wenn man etwa Posts bei Facebook glauben will. „So was will keiner hören“, sagt Xatar. Gemacht haben sie es trotzdem.
Das Album „Der Holland Job“ von Coup (Haftbefehl und Xatar) erscheint am 12. August bei Four Music