Bregenzer Festspiele starten mit Mozarts „Zauberflöte“
Bregenz (dpa) - Es sind heftige Gefühle, unter denen sich die Königin der Nacht aufbäumt. Hass, Angst, Verzweiflung treiben sie hoch hinaus in den Nachthimmel, lassen sie mit jedem Meter größer, dunkler, unheimlicher erscheinen.
„Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“, singt die Mutter der entführten Pamina in Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“, die am Donnerstag auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele gezeigt wurde. Auf einer ausfahrbaren Plattform lassen Regisseur David Pountney und Bühnenbildner Johan Engels die Königin in schwindelerregende Höhe steigen - als sie oben ankommt, schallt das hohe F ihrer berühmten Arie über das Wasser des Bodensees.
Mit dem Opernklassiker in neuem, quietschbuntem Gewand haben die Festspiele am Donnerstagabend die Spielzeit auf der Seebühne eröffnet. Es ist bereits die zweite Saison mit dem Mozart-Werk, das Spiel auf dem See wird nur alle zwei Jahre gewechselt. Am Abend zuvor stand im Festspielhaus die Auftragsoper „Geschichten aus dem Wiener Wald“ von Heinz Karl Gruber auf dem Programm. Insgesamt werden zu den rund 80 Veranstaltungen mehr als 200 000 Besucher erwartet. Das Festival geht bis zum 25. August - in dieser Zeit entführen Pountney und sein „Zauberflöten“-Team die Zuschauer Abend für Abend in ein Fantasy-Spektakel aus riesigen Drachenhunden, schnaubenden Schlangen, überdimensionalen Puppen und bunten Vogelmenschen.
Die Geschichte ist schnell zusammengefasst: Die Königin der Nacht beauftragt den Prinzen Tamino (Norman Reinhardt), ihre von Sarastro entführte Tochter Pamina (Bernarda Bobro) zu retten. Räumliches Zentrum des Geschehens ist eine große Kuppel, die an einen Schildkrötenpanzer erinnert. Sie lässt sich rundherum drehen, was Regisseur und Bühnenbildner ausgiebig nutzen. Gerade mal 40 Sekunden braucht sie für eine Wende von 180 Grad - und präsentiert den Zuschauern unterschiedlichste Welten: Vom grünen Wald über den in leuchtend rotes Licht getauchten Tempel von Sarastro (charismatisch gespielt und gesungen von Alfred Reiter) in das blaue Reich der Königin der Nacht (beeindruckend: Kathryn Lewek).
Das Farbspiel wechselt je nach Geschehen und fordert den Zuschauer auf, sich immer wieder auf neue Stimmungen einzulassen. Zusätzlich zu diesem Atmosphärenwechsel greift Pountney tief in die Trickkiste: Drei große Drachenhunde in grün, rot und gelb bewachen die Bühne, fauchen und rauchen je nach Szenerie oder grollen dem Vogelmenschen Papageno (Markus Brück), wenn er sich unerlaubt dem Tempel nähert. Mal glotzen leuchtende Augen durch ein Gestrüpp aus Grashalmen, mal seilen sich Sarastros Helfer wie Spiderman von den Figuren ab.
Ein dichtes, farbintensives Bild jagt das nächste, oft weiß man gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Die Zauberflöte in Bregenz bietet - inklusive Feuerwerk und Artistikeinlagen - eben soviel für die Augen wie für die Ohren. Die musikalische Leitung an diesem Abend übernimmt Patrick Summers, der die Wiener Symphoniker und den Prager Philharmonischen Chor ruhig durch Mozarts Opernklassiker führt.
Bereits im vergangenen Sommer erwies sich die „Zauberflöte“ als Kassenerfolg: Rund 200 000 Besucher sahen sich die Oper am Bodensee an. Für 2014 wurde wegen der starken Nachfrage die Spielzeit sogar um einen Tag verlängert. „Das ist eine kleine Perversität, dass der Titel ausreicht, ein riesiges Publikum zu locken“, sagte Pountney im Vorfeld der Aufführung. Zum Vergleich: Mit Umberto Giordanos Oper „André Chénier“ lockten die Bregenzer in den Spieljahren 2011/2012 insgesamt nur rund 210 000 Besucher.
Für Intendant Pountney ist 2014 übrigens auch die letzte Saison am Bodensee: Er verlässt die Bregenzer Festspiele nach elf Jahren. Seine Nachfolge übernimmt ab 2015 die frühere Direktorin der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, Elisabeth Sobotka.