Band aus Düsseldorf Broilers retten die Zukunft des Rock’n’Rolls
Düsseldorf. Als sie nach zwei Stunden und 15 Minuten — der in Strömen fließende Schweiß löscht gerade die vom Endorphin und Adrenalin gelegten Brände — die Bühne verlassen, da haben die Broilers so ein bisschen die Live-Zukunft des deutschsprachigen Rock’n’Rolls gerettet.
Denn es ist ja so: Die Toten Hosen gehen bereits stramm auf die 60 zu. Und Rammstein veröffentlichen ihre kruden Dreck- und Feuershows lieber als Kinofilm im Schlachtengemäldeformat. Die Broilers aber sind erst Mitte 30, holen 14 000 Menschen in die Riesenhalle, spielen das größte Konzert ihrer Bandgeschichte, freuen sich selber sichtlich wie Bolle über diesen Coup. Und ziehen trotz einer Hallendecke, die sich 42 Meter über dem Boden befindet, dieses Kumpel-Partykeller-Ding durch. Eine Leistung, für die man — wäre der „Echo“ ein ernst zu nehmender Musikpreis — umgehend eine eigene Kategorie erfinden müsste.
Bei den Broilers hat all das mit ihrer Herkunft zu tun. Der musikalischen wie menschlichen. Sie gründeten sich vor 23 Jahren als Band aus der heilig-schmuddeligen Mitte der Punkrockszene und spielten die ersten 13 Jahre ihrer Bandgeschichte vor allem in entsprechend heilig-schmuddeligen Szene-Clubs wie dem AK 47 in Düsseldorf oder dem Underground in Köln. Außerdem kommen sie, das betont Frontmann Sammy Amara an diesem Abend grinsend mit je einer Kölsch- und einer Altbierflasche in der Hand, von „umme Ecke“. Aus dem Düsseldorfer Süden nämlich, der von der Lanxess-Arena gerade einmal 30 S-Bahn-Minuten entfernt in Hellerhof mit Nullachtfünfzehn-Reihenhaussiedlungen und nicht selten den Schnarchgeist des Leerstandes atmenden Einkaufszentren beginnt.
Die Zeit der Jugend in der Vorstadt, das sei für sie „die beste aller Zeiten“ gewesen, singen die Broilers — wenn sie nicht gerade dem Rechtsruck im Lande eine deutliche Abfuhr erteilen („Keine Hymnen heute“) oder Uralt-Schinken wie „Paul der Hooligan“ ins Programm einstreuen. Und wenn das damals die beste Zeit war, dann feiern sie das Heute wiederum als großartigste aller Zeiten — und zwar mit den Mitteln von damals: Rausgehen. Machen und tun. Und Spaß haben. Keine Chance zum Chillen. Die Broilers sind auf der Bühne die personifizierte juvenile Hibbeligkeit: Gitarrist Ron rennt und hüpft und fordert die ohnehin schon Dreifach-Tanzkreisel bildenden und Fahnen schwenkenden Fans mit geballter Faust dazu auf, doch bitteschön noch etwas mehr an den inneren Euphorie-Reglern rumzudrehen. Frontmann Sammy Amara und Bassistin Ines Maybaum enden irgendwann kniend und im Spagat auf dem Bühnenboden. Und Keyboarder Christian Kubzcak haut in einer den Konzertablauf kurzfristig durcheinanderbringenden Gitarrenreparaturpause spontan Van Halens „Jump“ raus und kringelt sich vor Lachen.
Die Broilers als Rockstars? Irgendwie schon. Aber eigentlich: Nein. Drauf gepfiffen. Rockstars feiern Dekadenz-Partys. Die Broilers dagegen feiern Familientreffen mit Songs von Nummer-Eins-Alben im Punk-Gepäck. Sie haben sich damals, 1994, im Hobbykeller gegründet und die Halbstarkenrevolution in den Vorgärten eingeläutet. Und sie lassen heute, 2017, große Teile der Konkurrenz ein ordentliches Stück weit hinter sich. Sie sind wie Straßenkicker, die zu Fußballprofis wurden und deren Trikots die Fans mit Hingabe tragen. Sie sind die Lukas Podolskis des Punkrocks. Und das ist alles.