Coldplay: Therapie für gebrochene Herzen
Berlin (dpa) - Das neue Album von Coldplay lässt keinen Zweifel: Sänger Chris Martin hat ein gebrochenes Herz. Auf „Ghost Stories“ geht ein trauriger Song in den nächsten über.
Von den ersten Worten - „Ich denke an Dich, ich habe nicht geschlafen“ - geht es um Verlust, Eifersucht, das Gefühl, verloren zu sein. Martin selbst bekannte, dass er mit den Liedern die Trennung von seiner Ehefrau, der Schauspielerin Gwyneth Paltrow, verarbeitete. „Ich schreibe Musik als ein Tagebuch“, sagte er in einem Interview mit der BBC. „Ich schreibe, um zu überleben.“
Dabei hatte sich Coldplay in den vergangenen Jahren zu einer Band entwickelt, von der Fans bittersüße Stadion-Hymnen erwarten. Auf „Ghost Stories“ dauert es sieben Songs und 30 Minuten schöner Traurigkeit bis zum ersten Lichtblick. Bei „A Sky Full Of Stars“ wachsen Klavierakkorde zu einer Sound-Welle an und explodieren schließlich in den schamlosesten Tanz-Beats, die Coldplay bisher zu bieten hatte.
Das sei alles genauso gedacht, versichert Martin. Als eine Art Therapie, als Weg von einem gebrochenen Herz zur Einsicht, dass sich alles am Ende einrenkt. „Wir haben zwar jede Menge Songs geschrieben“, sagte er in dem BBC-Interview, dem einzigen ausführlichen Gespräch zum Album-Start. „Aber so wie wir das Album am Ende zusammengesetzt haben, ist es eine Reise, bei der man über die guten und schlechten Dinge nachdenkt, die einem passiert sind. Und sich Ihnen stellt, statt wegzulaufen.“
Mit Gefühlsbewältigung sei es wie im Fitness-Studio, wählt Martin einen eigenwilligen Vergleich. Da habe man eine Stunde Laufband vor sich und wolle sich unbedingt davor drücken. Hinterher sei man dann aber doch froh darüber, es durchgezogen zu haben. „Das Album, das sind sozusagen 42 Minuten emotionales Laufband.“ Der Lohn für die Schmerzen seien Hoffnung und Trost: „Es kann als herzzerreißendes Album erscheinen, aber in Wirklichkeit geht es um die freudige Erkenntnis, dass man den Sachen nicht entkommen kann, die das Leben einen durchstehen lässt.“ Der Band sei bewusst, dass nicht alle Fans „Ghost Stories“ mögen werden. Aber das musste jetzt sein.
Colplay war binnen eines Jahrzehnts von einem Geheimtipp zu einer Erfolgsband geworden, die mit ihrem markanten Mix aus gepflegter Melancholie und schneidenden Gitarrenriffs Stadien füllt. Der entwaffnende Hit „Viva La Vida“ machte die Briten 2008 endgültig zu Weltstars. Das vergangene Album „Mylo Xyloto“ war 2011 ein scharfer Kontrast zu „Ghost Stories“: Heller Synthesizer-Klang, Songs wie zu Musik gewordene bunte Bonbons, Konfetti-Stürme bei den Konzerten.
Chris Martin ließ es sich auf der Bühne nie anmerken, aber er habe sich in der Star-Rolle unwohl gefühlt, bekannte er jetzt. Ausgerechnet auf dem Höhepunkt des Erfolgs und der weltumspannenden Tour hätten ihn die Unsicherheit und die Angst vor dem Scheitern überkommen. Darunter habe auch seine Familie gelitten. Paltrow und Martin hatten Ende März ihre Trennung nach gut zehn Ehejahren bekanntgegeben und wollen sich gemeinsam um ihre zwei Kinder kümmern. So ist der optimistischere Ton am Ende von „Ghost Stories“ auch Teil von Martins Selbsttherapie durch Musik: „Es wird alles am Ende irgendwie okay.“