Dan Mangan: Noch-Geheimtipp aus Kanada

Berlin (dpa) - Kein Zweifel, 2011 war wieder ein gutes Jahr für ambitionierten Pop aus Kanada. Arcade Fire gewannen den wichtigsten Rock-Grammy, Leslie Feist verzauberte ihre Fans mit einem weiteren großen Album, Adam Cohen trat in die Fußstapfen seines berühmten Vaters - um nur drei Beispiele zu nennen.

Das dritte Album des tollen Singer/Songwriters Dan Mangan aus Vancouver ist insofern ein würdiger Jahresabschluss. „Oh Fortune“ (City Slang) hat alles, was Indie-Rock aus Kanada - gerade auch im Kontrast zum Mainstream der benachbarten USA - derzeit so attraktiv macht: Größe statt Bombast, Sensibilität statt Weinerlichkeit, Ambition statt Angeberei. Mangans sorgfältig komponierte Lieder sprühen vor Ideen, hinter seiner klassischen Gitarre/Bass/Schlagzeug-Band schichtet der 28-Jährige imposante Streicher- und Bläser-Arrangements auf. Und dann diese Stimme: Ein wettergegerbter Bariton, mal hauchzart wie Harry Nilsson, mal ruppig rau wie einst der junge Tom Waits, pathetisch und doch tief berührend.

Bewusst versucht Mangans neuer Label-Manager, City-Slang-Chef Christof Ellinghaus, den Songwriter abzugrenzen von „einer ganzen Armee bärtiger Troubadoure, die mit der Gitarre bewaffnet ihre Lieder durch die Welt tragen“. Zwar gehört auch Mangan rein äußerlich zur „Beardo“-Fraktion junger Indie-Musiker mit beeindruckender Gesichtsbehaarung. Doch seine Musik unterscheidet sich vom hippiesken Retro-Sound der Fleet Foxes, von My Morning Jacket oder Mumford & Sons, die in den USA und Großbritannien derzeit groß abräumen.

Der Londoner „Guardian“ fand blumige Worte für Dan Mangan: „Im überfüllten Genre männlicher Singer/Songwriter schafft er etwas Besonderes: einen leicht schrägen, geistreich-ironischen Stil, kombiniert mit langsam köchelnder emotionaler Intensität.“ Dabei erstaunt die rasante Entwicklung: Auf dem gelungenen Debüt „Postcards And Daydreaming“ (2005) oder auch dem für Kanadas Indie-Grammy Polaris nominierten Nachfolger „Nice, Nice, Very Nice“ (2009) war der orchestral aufgeladene, innovative Folkrock des neuen Albums nur zu erahnen.

In seiner Heimat gilt Mangan als „one to watch“ - als Noch-Geheimtipp, der das Zeug hat, demnächst in der ersten Liga mitzuspielen. Man muss nur den an Landsmann Neil Young erinnernden Kracher „Rows Of Houses“ hören, um diese Einschätzung zu teilen. Auch der populäre Überwältigungs-Sound von Arcade Fire findet sich in den elf „Oh Fortune“-Liedern, am schönsten im atmosphärischen Opener „About As Helpful...“ und dem abschließenden bläsersatten Gospel-Folk von „Jeopardy“.

Die erhebende Musik des Mannes aus Vancouver kam kürzlich sogar dem britischen Thronfolger-Paar zu royalen Ohren. Als Kate und William im Sommer Ottawa besuchten, gehörte Dan Mangan zu den auserwählten Repräsentanten der kanadischen Indierock-Szene.

„Sie waren sehr nett“, sagte er anschließend über diese Begegnung. „Ich habe ihnen die Hände geschüttelt und rund neun Worte mit ihnen gewechselt. Aber meine Mutter war sicher aufgeregter als ich. Sie war extra von Vancouver hergeflogen, um das zu erleben.“ Angesichts der Klasse seines jüngsten Albums sollte Dan Mangan künftig jedoch keine blaublütigen Fans brauchen, um sich in die lange Reihe der großen Rock-Exporte Kanadas einzureihen.

Konzerte von Dan Mangan im Dezember: 3.12. Münster, 4.12. Dresden, 5.12. Berlin