Der Ticket-Schwarzmarkt treibt Musikbranche um

Frankfurt (dpa) - Bewegliche Bühnen, opulente Shows: Längst sind große Musik-Events wahre Spektakel. „Veranstalter betreiben heute einen gigantischen Aufwand, um ein spektakuläres Konzert-Erlebnis zu produzieren, welches bei den Besuchern in Erinnerung bleibt“, sagt der Präsident des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft (BDV), Jens Michow.

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Besonders gelungene Veranstaltungen und deren Macher werden am 4. April in Frankfurt mit dem Live Entertainment Award ausgezeichnet. Doch es herrscht nicht nur eitel Sonnenschein in der Branche. Ein internationaler Ticket-Schwarzmarkt treibt Preise in die Höhe und verärgert sowohl Fans als auch Veranstalter und Künstler.

Nicht selten seien Konzerttickets kurz nach dem Start des Vorverkaufs schon vergriffen, moniert der BDV. Das liege nicht immer nur an der großen Nachfrage der Fans. Professionelle Weiterverkäufer kauften große Kontingente und veräußerten sie mit hohen Aufschlägen. Der BDV spricht von einem „wachsenden Geschwür der Zweitmarkthändler“.

Diese Händler haben es auf einen Riesenmarkt abgesehen. Nach einer Studie im Auftrag der Musikwirtschaft gaben deutsche Konsumenten 2014 satte 2,8 Milliarden Euro für Rock-, Pop- oder Klassikkonzerte sowie Opern oder Musicals aus. Rund 1300 deutsche Konzertveranstalter machten demnach 2014 Gesamtumsätze von 1,56 Milliarden Euro. Bei einer Umfrage unter einigen kam heraus, dass Erlöse aus dem Ticketverkauf mit 73 Prozent die wichtigste Umsatzquelle waren.

Michow sagt zum Schwarzmarkt: „Es ist ein internationales Geschäft, das in den vergangenen zwei Jahren erheblich zugenommen hat.“ Veranstalter hätten ein großes Interesse daran, es einzudämmen. „Wenn irgendjemand am Geschäft mitverdient, ohne selbst was dafür zu tun, geht das irgendwann jedem auf den Senkel“, sagt er.

Auch der Chef des Veranstalters Deutsche Entertainment AG (Deag), Peter Schwenkow, hält den Schwarzmarkt für „extrem bedenklich“. „Wenn die mir vorliegenden Zahlen stimmen, ist das mittlerweile ein Acht-Milliarden-Dollar-Markt global.“ Es betreffe alle Musikarten. „Das kann Ihnen bei einem Anna-Netrebko-Konzert in den ersten drei Reihen genauso passieren wie bei Barbra Streisand - quasi überall, wo es mehr Nachfrage gibt als Angebot.“

Letztlich könne man wenig dagegen tun, sagt Michow. Möglich seien personalisierte Karten, Vorverkaufsstellen könnten angewiesen werden, an einen Käufer nur eine begrenzte Zahl von Tickets abzugeben. „Das ist aber nicht so angenehm. Wir wissen, dass Konzertkarten oft von Freunden gekauft werden, dass Menschen in Gruppen zu Konzerten gehen.“ Schwenkow sieht das ähnlich. „Rechtlich können Sie in den meisten Ländern ehrlich gesagt sehr wenig dagegen tun“, sagt er. „Wir müssen noch mehr darüber aufklären, dass derjenige, der sich eine solche Eintrittskarte kauft, den Schwarzmarkthändlern zuspielt.“

Von streng personalisierten Tickets, die beispielsweise nur in Verbindung mit einem Personalausweis gültig sind, hält Schwenkow nicht viel. „Dann ist der Herr Müller eine Stunde vor dem Konzert krank und schickt seinen besten Freund, der dann nicht reinkommt. Ist das Kundenservice? Nein.“ Er betont, Künstler achteten genau auf den Verlauf des Vorverkaufs. „Die Höhe des Eintrittspreises in Verbindung mit der Geschwindigkeit des Abverkaufs ist der Marktwert des Künstlers.“ Das könne unter Umständen den Schwarzmarkt antreiben.

Der Frankfurter Konzertveranstalter Marek Lieberberg und sein Sohn Andre sagen: „Dubiose Ticketanbieter und fragwürdige Ticketplattformen sind natürlich der gesamten Branche ein Dorn im Auge.“ Diese agierten vor dem Hintergrund, dass das Volumen des „Live-Touring“ in den vergangenen 15 Jahren extrem angestiegen sei - auch weil immer mehr Künstler über digitale Kanäle schneller eine Fanbasis aufbauen könnten. „Es hat sich jedoch gezeigt, dass es nahezu aussichtslos ist, gegen diese Auswüchse mit juristischen Mitteln vorzugehen.“

Um den Weiterverkauf komplett zu unterbinden, müsste das Ticketing komplett personalisiert werden, sagen die Lieberbergs. „Dies wäre mit hohen Zusatzkosten und einer erheblichen Reglementierung des Zugangs bei Konzerten verbunden.“ Fans müssten legale Optionen für den Weiterkauf oder Kauf angeboten werden. Um zwielichtigen Händlern das Handwerk zu legen, sollten Künstler und Partner darüber nachdenken, ob Preise für Karten nicht besser kalkuliert werden müssten.

Schwenkow plädiert beim regulären Vorverkauf für ein „Flexible Pricing“. „Wenn es jemanden gibt, der bereit ist, für die erste Reihe 120 Euro zu zahlen, und jemanden, der 200 Euro ausgeben würde, dann muss man einen Mechanismus schaffen, damit der, der am meisten zahlt, in der ersten Reihe sitzt.“ Patentrezepte gebe es nunmal keine, aber das sei die fairste Lösung. „Wir werden aber immer eine Kategorie mit fixen Preisen haben, damit es sich jeder leisten kann.“

Knifflig ist die strafrechtliche Verfolgung windiger Weiterverkäufer, wie Michow erklärt. Selbst wenn in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Verbot des gewerblichen Weiterverkaufs von Karten stehe, müsse Tätern stets nachgewiesen werden, dass sie das tatsächlich getan haben. „Wenn Sie das mal geschafft haben, haben Sie einen Schuldner, der in Holland saß, jetzt aber schon nach Belgien weitergezogen ist.“