Deutschland und die Mission Titelverteidigung
Düsseldorf (dpa) - Die weltgrößte Musikshow kehrt nach 28 Jahren wieder nach Deutschland zurück. Zwar will sich beim Eurovision Song Contest im eigenen Land die Lena-Manie von Oslo nicht so recht wiederholen.
Trotzdem können sich die Fans auf einen tollen ESC 2011 freuen.
Sogar Stefan Raab ließ auf einmal Zweifel erkennen. „Kann auch sein, dass das mit der Titelverteidigung eine Scheißidee war“, zitierte ihn der „Spiegel“ im Februar. Doch da war die Sache mit Lenas erneutem Auftritt beim Eurovision Song Contest längst zum Selbstläufer geworden.
Am 14. Mai wird sich zeigen, wie die Mission Titelverteidigung ausgeht. Dann muss Lena vor schätzungsweise 120 Millionen Fernsehzuschauern ran. Ort des Schaukampfs: die Düsseldorfer Arena, die sich für sechs Wochen von einem Fußballstadion in ein gigantisches Fernsehstudio verwandelt.
Doch diesmal will nicht die Lena-Manie aufkommen, die entstand, als das „Fräuleinwunder“ mit dem Sieg 2010 in Oslo nach 28 Jahren wieder die weltgrößte Musikshow nach Deutschland geholt hatte. Das Land war bezaubert von dieser kecken, frechen Göre aus Hannover, die so herrlich schräges Englisch sang und um keinen Spruch verlegen war. Diese Lena Meyer-Landrut war ein wohltuender Kontrast zu all den gecasteten „Superstars“ oder „Popstars“.
Die Idee ihrer Titelverteidigung im eigenen Land, noch im nächtlichen Osloer Siegestaumel von Lena-Entdecker Stefan Raab ausgebrütet, kam nicht so richtig gut an. Die ARD wirkte überrumpelt, Lena-begeisterte Journalisten waren skeptisch.
Dann sorgte auch noch die Moderatoren-Entscheidung für eine Überraschung. Anders als von ihm selbst und vielen Fans gewünscht, wird nicht Komiker Hape Kerkeling beim Grand Prix durch den Abend führen, sondern Lena-Übervater Raab, Entertainerin Anke Engelke und „Tagesschau“-Sprecherin Judith Rakers.
Allen Unkenrufen zum Trotz: Lena singt wieder. Aber neben der 19-Jährigen lauern noch 42 weitere Nationen auf den ersten Platz. Das sind so viele wie zuvor erst einmal in der Geschichte des Wettbewerbs, nämlich im Jahr 2008 in Belgrad.
In einem Punkt ist Lena schon mal im Vorteil. Für das Finale ist sie als deutsche Vertreterin ebenso wie die Kandidaten der großen ESC-Geldgeber Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien automatisch gesetzt. Die übrigen Bewerber müssen sich am 10. und 12. Mai erst einmal in den Halbfinalshows beweisen.
Trotz mäßiger Quoten beim „Unser Song für Deutschland“-Casting im Februar, trotz einer nur halb ausverkauften Tournee von Lena: Höchstwahrscheinlich wird das dennoch ein toller ESC 2011. Lena konnte auf ihrer ersten Deutschland-Tour im April durchaus überzeugen, diese war ein guter Test.
Und vor allem: Die Tour machte deutlich, wie gut Lenas Song für Düsseldorf, „Taken By A Stranger“, auf der großen Bühne funktioniert. Mit Tänzern in glänzenden Ganzkörperanzügen, gleißendem Licht und dem eindringlichen Beat bleibt die Mystik-Pop-Nummer lange im Gedächtnis - gut für die dreistündige Musikshow, bei der Lena mit Startnummer 16 dran ist.
Die Konkurrenz scheint nicht gerade übermächtig: Frankreich (mit Opernsänger Amaury Vassili) und Italien (Raphael Gualazzi mit einem Swingtitel) scheinen ihre Kandidaten irgendwie vertauscht zu haben, die Briten schicken die einstige Boygroup Blue, deren beste Zeit schon lange vorbei ist, und die Spanier sind mit ihrer kabaretthaften Freiheitsnummer „Que Me Quiten Lo Bailao“ Kandidaten für die hinteren Ränge. Bester der „Big Five“: Das sollte für Deutschland drin sein.
Google prophezeite Lena Ende April sogar die Titelverteidigung. Schon im vergangenen Jahr hatte der Internet-Gigant nach einer Auswertung von Suchabfragen auf Lena getippt - und lag bekanntlich richtig. Anfang Mai änderte sich diese Prognose jedoch: Das schräge Zwillingsduo Jedward aus Irland lag nun vorn, Lena noch auf Rang drei.
Doch egal wie der Wettbewerb ausgeht, die Düsseldorfer Stadtoberen wähnen sich längst als die eigentlichen Gewinner des ESC, nachdem sie unter anderem die Millionenstädte Berlin oder Hamburg ausgestochen haben. Das häufig als langweilig verschriene Düsseldorf wird in der ESC-Woche mit Sicherheit zur Party-Hauptstadt Europas - so ist es in den vergangenen Jahren immer gewesen. Außerdem verspricht die Arena des Traditionsclubs Fortuna eine Super-Atmosphäre mit 36 000 Fans.