Laune der Natur Die Toten Hosen: Zwischen Trauer und Euphorie
Berlin (dpa) - Was kann man von einer Band erwarten, die seit 35 Jahren am Start ist? Die 1982 in der Düsseldorfer Punk-Szene anfing und längst zu den kommerziell erfolgreichsten Gruppen des Landes gehört?
Berlin (dpa) - Was kann man von einer Band erwarten, die seit 35 Jahren am Start ist? Die 1982 in der Düsseldorfer Punk-Szene anfing und längst zu den kommerziell erfolgreichsten Gruppen des Landes gehört?
Mit „Laune der Natur“ veröffentlichen Die Toten Hosen jetzt ihr nunmehr 16. Studioalbum. Es ist mal krachend laut, mal ruhig und leise. Es erzählt von Abschied und Endlichkeit, feiert aber auch das Leben und die Liebe - mit all ihren Dramen.
„Das Leben war eine Achterbahn“: So beschreiben die Hosen selbst ihre vergangenen fünf Jahre im Beiheft der CD. Auf das Erfolgsalbum „Ballast der Republik“ (2012) folgte die größte Tour der Band vor mehr als einer Million Fans. Doch neben all den Reisen, Partys und Konzerten gab es auch bittere Momente und Verluste: Mit Bandmanager Jochen Hülder und Ex-Drummer Wolfgang Rohde (Wölli) starben 2015 und 2016 gleich zwei enge Wegbegleiter.
Vor ungefähr zwei Jahren, als die „Ballast“-Euphorie etwas verklungen war, fingen Andi, Breiti, Campino, Kuddel und Vom Ritchie an, sich mit einem neuen Album zu beschäftigen. „Am Anfang ist es wie bei einem Feld, auf dem du stehst und alles ist neblig“, erklärt Sänger Campino im dpa-Interview. „Man tastet sich langsam nach vorne, dabei wirft man alles in den Ring und erlaubt sich erst einmal keine Schere im Kopf.“
Wie schon beim Vorgängeralbum wurde der 54-Jährige bei vielen Songtexten von seinem Kumpel, Rapper Marteria (34), unterstützt. Die Freundschaft der beiden sei eine Glücksbegegnung, erklärt Campino. „Wir haben uns vor sieben Jahren getroffen, angesehen, miteinander gesprochen und wussten schnell, dass wir zusammengehören.“
Aus einem Sammelsurium von über 200 Songversionen sind letztlich 15 Stücke herausgekommen. Es knallt gleich zu Beginn mit dem sehr rasanten „Urknall“, etwas überproduziert kommt die Single „Unter den Wolken“ daher, die Mitte April direkt auf Platz zwei der Charts eingestiegen war. Es gibt alberne Lieder wie „Wannsee“, aber auch melancholisch-nachdenkliche Songs wie „Geisterhaus“.
Nach dem lauten ersten Teil finden sich in der zweiten Albumhälfte Liebeslieder wie „Alles passiert“, „Die Schöne und das Biest“ oder „Lass los“. Sie alle vereint - und das ist typisch für die Toten Hosen - dass sie kein gutes Ende nehmen. Kann Campino denn keine romantischen Songs mit Happy End schreiben? Er bekomme es einfach nicht hin, etwas Normales in dieser Richtung abzuliefern, ihn habe das Abgründige seit jeher fasziniert.
„In meinen Liebesgeschichten muss immer einer sterben oder etwas Schreckliches passieren. Vielleicht habe ich zu viele schlechte Bücher darüber gelesen“, erklärt er. „Wenn ich es einmal geschafft haben sollte, ein positives, glückliches und dabei nicht kitschiges Liebeslied zu schreiben, wäre das vielleicht ein ernsthafter Moment, wo ich mich fragen sollte: Ist der Job getan?“, sagt der Sänger.
Ergreifend ist das Stück „Eine Handvoll Erde“, das die Band für Manager Jochen geschrieben hat. „Wir tragen Dich nur ein paar Meter, die für ein ganzen Leben stehen“, heißt es in einer Beerdigungsszene. „Wie viele Jahre“ ist dagegen ein augenzwinkernder Umgang mit dem Alter der Band und der ewigen Frage, wie lange es noch weiter geht. „Hasta La Muerte“ (Bis zum Tod), das haben wir uns in unsere Haut geritzt“ lautet eine Songzeile. Eine Ansage, die Kuddel noch schnell beim Stammtätowierer in Wien nachgeholt hat. Der Gitarrist trägt jetzt den entsprechenden Schriftzug auf seiner Wade.
Den krönenden Abschluss des Albums bildet ein ganz besonderes Stück: „Kein Grund zur Traurigkeit“ ist ein Song, den Ex-Drummer Wölli, der 1999 wegen gesundheitlicher Probleme aus der Band ausgeschieden war, später auf einem Soloalbum veröffentlicht hat. Nach seinem Tod durchsuchten die Hosen mehrere Studios und Keller in Düsseldorf. Schließlich fanden sie die alten Aufnahmen, die Gesangsspuren wurden herausgefiltert, die Musik und der restliche Gesang neu eingespielt. „So ist es möglich, dass er noch ein letztes Mal mit uns zusammen Musik macht“, erklärt die Band.
Insgesamt kann man sagen: Den Hosen gelingt es, mit „Laune der Natur“ ein durchaus temporeiches und lebensbejahendes Werk abzuliefern - auch wenn Tod, Trauer und Trennung ganz zentrale Themen sind. „Vor fünf Jahren hätte ich nicht eingeschätzt, dass direkt zwei Mann von Bord gehen“, sagt Campino. Auch wenn beide Todesfälle ihre jeweils eigene Geschichte hätten, so könne er eine wichtige Sache aus den Geschehnissen herausziehen: „Ich weiß, die Jungs würden sagen: tragt das weiter, so lange es geht. Das ist das, was sie uns hinterherrufen.“