DJ Dr. Motte über die Anfänge der Loveparade

Berlin (dpa) - Hinter drei mit Lautsprechern bestückten Wagen tanzten vor 25 Jahren Technofans bei der ersten Loveparade über den Berliner Kurfürstendamm.

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Parade-Gründer DJ Dr. Motte hatte damals nicht nur das Feiern im Sinn, sondern auch ein politisches Anliegen, wie der heute 53-Jährige im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa sagte.

Frage: Warum haben Sie damals die Loveparade ins Leben gerufen? War das tatsächlich eine spontane Idee?

Antwort: Es war die Zeit, als Techno noch in den Kinderschuhen steckte und Acid-House hieß. Freunde von mir berichteten von Underground-Partys in Manchester und Sheffield, die von der Polizei aufgelöst wurden. Die Raver tanzten aber auf der Straße, zu einem Ghettoblaster weiter. Dieses Bild faszinierte mich. Ich dachte darüber nach. Im Mai 1989 hatte ich während einer Party die spontane Eingebung.

Frage: Was hatte es mit dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ auf sich?

Antwort: Ich meldete damals die Demo unter diesem Motto bei der Berliner Versammlungsbehörde für den 1. Juli 1989 auf dem Kurfürstendamm so an. Frieden, für Abrüstung; Freude durch Musik als Mittel der Kommunikation; Eierkuchen, für die gerechte Nahrungsmittelverteilung. Ich wollte etwas Gutes etablieren. Keine Demo gegen, sondern für alle Menschen auf diesem Planeten.

Frage: Welche Rolle haben damals Drogen bei den Loveparade-Teilnehmern gespielt?

Antwort: Die Hilfsdienste haben uns immer nur von Erschöpfungen und Dehydrierung berichtet. Wir alle kamen zur Loveparade aus der ganzen Welt und zelebrierten den Feiertag der elektronischen Tanzmusik. Wir erlebten die Ekstase durch Freude und Techno.

Frage: Warum passte die Loveparade damals so gut in den Zeitgeist?

Antwort: Die jährliche Loveparade war der Ausdruck des Zeitgeistes und eigentlich eine tanzende Jugend-Friedensbewegung, unter dem Schirm der neuen, elektronischen Tanzmusik.

Frage. Aber bereits vor dem Umzug ins Ruhrgebiet, wo es dann schließlich zu dem tragischen Unglück kam, schien sich die Loveparade in Berlin überlebt zu haben — warum?

Antwort: Die Loveparade konnte aus finanziellen und politischen Gründen nicht mehr in Berlin stattfinden. Ein Schock für alle die mit ihr aufgewachsen sind. Erst dadurch wurde vielen klar, wie wichtig die Loveparade für die Techno-Szene gewesen ist. Mein Mitgefühl gilt den Betroffenen der Massenpanik der Loveparade 2010 in Duisburg.

Gibt es heute irgendwo auf der Welt noch vergleichbare Techno-Events?

Anwort: Elektronische Musik ist eine eigene Musiksparte geworden und überall zu hören. Für sehr viele Menschen war die Loveparade der beste Tag in ihrem Leben. Das war einzigartig. Heute existiert eine große Vielfalt von elektronischen Musik-Events überall auf unserem Planeten und sie sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden.

ZUR PERSON: Hinter dem Künstlernamen Dr. Motte verbirgt sich der Berliner Matthias Roeingh. Der gelernte Betonbauer war der Guru der Loveparade-Raver. Seine Vision von einer friedlichen Weltrevolution durch seine Tanzgemeinde brachte er in seinen jährlichen, immer leicht kruden Ansprachen ans Partyvolk. Die Techno-Umzüge standen unter dem Motto „Peace on Earth“, „We Are One Family“, „Let the Sunshine In Your Heart“, „One World One Future“ oder „Love Rules“. Weil die Love Parade seiner Ansicht nach zur „Dauerwerbesendung“ verkam, zog sich Dr. Motte 2006 aus dem Organisationsteam zurück. Der Name Love Parade wurde verkauft.