Donald Fagens Meisterwerk des Hochglanz-Pop

Berlin (dpa) - Vier Solo-Alben in 30 Jahren - das spricht nicht gerade für den schweißtreibenden Ehrgeiz des Donald Fagen. Wenn dann einmal pro Dekade einer dieser verführerischen Maseratis im CD-Format vorfährt, lässt man sich immer wieder gern hereinbitten.

„Sunken Condos“ (Reprise/Warner), der Mitte Oktober erschienene Nachfolger von Fagens atemberaubender 2006er Platte „Morph The Cat“, ist erneut ein Meisterwerk des ultracoolen Hochglanz-Pop geworden. Nichts anderes ist man von Fagen und natürlich auch von seiner legendären US-Band Steely Dan gewohnt. Die Fans sind offenkundig zufrieden: Fagens Album sprang sogleich in die Top 30 der deutschen Charts.

Eine ganze Armada großartiger Studiomusiker begleitet den mühelos durch Pop, Jazz, Blues und Soul schlendernden Pianisten und Sänger. All das erneut in einer - für manche Kritiker sterilen - Perfektion, wie man sie wohl nur diesem inzwischen auch schon 64 Jahre alten Soundtüftler durchgehen lässt.

Geschliffene Bläsersätze, edle Gitarrensoli (Tipp: „Weather In My Head“), satt ploppende (Akustik-)Bässe, das hochpräzise Schlagzeugspiel von Earl Cooke Jr. - schon die Basis der neun Songs von „Sunken Condos“ ist was für Klangfeinschmecker und HighEnd-Fanatiker. Darüber legt Fagen mal eine smarte Mundharmonika („I'm Not The Same Without You“, „The New Breed“) oder glitzernde Vibes („Slinky Thing“, „Good Stuff“), Piano-Fingerfertigkeiten aus eigener Produktion - und natürlich diese unnachahmlich lässige Stimme, die auch nach 40 Künstler-Jahren noch keinerlei Abnutzungserscheinungen zeigt.

Wer das als Alte-Männer-Musik madig macht, hat wohl irgendwie Recht - und zugleich das Prinzip nicht verstanden. Denn schon in den 70er Jahren, damals noch als Frontmann von Steely Dan, orientierte sich Donald Fagen zusammen mit seinem kongenialen Partner Walter Becker am Sound der Väter und Großväter - um das Ergebnis jung und alt als Sophisticated Pop zu verkaufen. Sogar echte Singlehits wie „Reelin' In The Years“, „Rikki Don't Lose That Number“ oder „FM“ fielen bei dieser raffinierten Verführungsmethode ab.

Mit dem vorläufigen Ende von Steely Dan, nach den nicht mehr zu toppenden „Aja“ (1977) und „Gaucho“ (1980), wandte sich Fagen verstärkt seiner Liebe zum Jazz und Harmony-Pop der Fifties zu. 1982 lieferte er mit dem eleganten „The Nightfly“ gleich einen bis heute gültigen Klassiker ab. Weitere Alben mit Steely Dan (2000 und 2003) sowie zwei Soloplatten (1993 und 2006) folgten nach langen Perioden des Abtauchens. Schöner und verschwenderischer klangen Snobismus (die Musik) und Sarkasmus (die Texte) nie.

Auch im wunderbar dekadenten „Slinky Thing“, dem Opener des neuen Albums, erweist sich Donald Fagen gleich wieder als Zyniker ersten Ranges - in der Rolle eines „ausgebrannten Hippie-Clowns“, der sich in Begleitung einer blutjungen Schönheit lächerlich macht. Am Ende lässt sie ihn sitzen, alle anderen grinsen, der alternde Dandy trauert. Toll beobachtet und musikalisch dermaßen funky inszeniert, dass man dem Lolita-Drama kaum stillsitzend lauschen mag.

Fagen und seine teilweise schon von Steely Dan bekannten Musiker bleiben dem Groove auch danach über die gesamte Album-Strecke treu, eine schmalzige Ballade wird man bei diesem großen Singer/Songwriter vergeblich suchen. Mit „Out Of The Ghetto“ covert er souverän ein Stück des Soul-Großmeisters Isaac Hayes, ehe er mit dem vor Funk-Energie berstenden „Good Stuff“ auf die Zielgerade einbiegt.

Gegen „Sunken Condos“ lässt sich wieder einiges einwenden: ein wohlbekannter Trademark-Sound, kühl bis zur Arroganz; neun durchaus ähnlich klingende Songs; ein schnöseliger Musiker, der offenkundig mit zeitgemäßer Popmusik längst abgeschlossen hat und sich darin gefällt. Indierock-Fans sollten also auch die vierte Fagen-Platte meiden. Wer den Karriereweg dieses US-amerikanischen Virtuosen allerdings schon bis hierher begeistert verfolgt hat, wird dieses Jahr kaum ein besseres Album finden.