Echo Klassik ehrt Altstars und Newcomer
Berlin (dpa) - Ein einmaliges Ereignis: Die beiden Ausnahmedirigenten Zubin Mehta und Daniel Barenboim stehen zusammen am Pult und dirigieren gemeinsam eine Polonaise von Tschaikowsky. Nur für einige Takte, aber immerhin - der Echo Klassik macht's möglich.
Die deutsche Musikindustrie versucht bei der Vergabe ihres renommierten Klassikpreises am Sonntag alles, ein breiteres Publikum für das Genre zu gewinnen - das Weihnachtsgeschäft lässt grüßen. Doch die Einschaltquoten bei der zeitversetzt im ZDF übertragenen Gala sind enttäuschend: Nur 1,42 Millionen Zuschauer (6,6 Prozent Marktanteil) sehen den „Echo der Stars“ ab 22 Uhr. Das sind nochmal fast eine Million weniger als im vergangenen Jahr, als 2,33 Millionen zusahen.
Dabei wird alles aufgeboten, was in der Szene Rang und Namen hat. Wie im vergangenen Jahr ließ sich Publikumsliebling Thomas Gottschalk, bekennender Klassik-Fan, für die Moderation verpflichten. Allerdings müsse er dafür seine Texte von einem versteckten Monitor ablesen, flachst der 61-Jährige am Sonntag gleich zu Beginn. „Wenn es um eine gewisse Präzision geht, bin ich nicht der Richtige.“
Zubin Mehta wird bei der Gala im Konzerthaus am Gendarmenmarkt für sein Lebenswerk geehrt. Der 75 Jahre alte Musiker aus Indien stand nicht nur bei allen großen Orchestern dieser Welt am Pult. Er engagiert sich in seinem Heimatland und in Israel auch besonders für die Nachwuchsförderung. Laudator Barenboim überreicht ihm die goldschimmernde Trophäe mit einer herzlichen Umarmung.
„Ich stehe hier mitten in meiner Karriere. Es gibt noch so viel, was ich noch nicht interpretiert und aufgenommen habe“, sagt der 75-jährige Preisträger - und entschwindet in der Pause: Er muss zu den Berliner Philharmonikern, mit denen er am Abend Mahlers Erste Symphonie gibt. „55 Jahre sind wir befreundet, 55 Jahre musizieren wir zusammen, 55 Jahre hatten wir keinen Streit“, sagt Barenboim.
Einen fetzigen Auftritt liefert die in Leipzig geborene Sopranistin Simone Kermes, die zur „Sängerin der Jahres“ gekürt wird. Die ehemalige Fachkraft für Schreibtechnik gehört heute als „Crazy Queen des Barock“ zu den gefragtesten deutschen Opernsängerinnen. Sie trägt die von ihr ausgegrabenen 300 Jahre alten Lieder mit so viel Swing und Groove vor, dass Gottschalk sie gern als „Gesamtkunstwerk“ vorstellt.
Spannende Töne kommen vor allem von jungen Musikern: Mit insgesamt neun Nachwuchspreisen sind sie diesmal besonders stark vertreten. Die erst 25 Jahre alte norwegische Geigerin Vilde Frang wird von Laudator Wolfgang Joop sogar in einem Atemzug mit Anne-Sophie Mutter genannt. Dennoch warnt er in Anspielung auf seine eigene Modefirma: „Mit dem Label Wunderkind sollte man sehr vorsichtig umgehen, nicht nur, wenn man Wolfgang Joop heißt.“
Die 24-jährige Chinesin Yuja Wang aus den USA fasziniert mit einem furiosen Klaviersolo. „Sehnen aus Stahl“, bescheinigt Gottschalk der grazilen Pianistin. Das junge, innovative Quintett Spark liefert mit seinen ungewöhnlichen Flötenkonstruktionen eine mitreißende Vivaldi-Interpretation - brausender Applaus.
Weitere Preisträger sind etwa Startenor Rolando Villazón, der US-Bariton Thomas Hampson und der Countertenor Bejun Mehta, ein Cousin von Zubin Mehta. Als beste Instrumentalisten geehrt werden unter anderem Lisa Batiashvili (Violine), Frank Bungarten (Gitarre) und Murray Perahia (Klavier). Die Namen der Preisträger hatte die Jury schon im Juli bekanntgegeben.
Nach dem nicht gerade umwerfenden Erfolg der TV-Show im vergangenen Jahr aus Essen lobt Gottschalk das bunt aufgepeppte Konzerthaus in der Bundeshauptstadt als angemessene Bühne. „Endlich hat der "Echo der Stars" ein Zuhause gefunden, das seiner würdig ist“, sagte der Moderator. Und Preisträger Rolando Villazón mag von Grenzen zwischen klassischer Musik und Unterhaltung gleich gar nichts wissen: „Alles, was von Herzen kommt, hat Qualität.“