Prosit Neujahr Ein Traum im Walzertakt - Neujahrskonzert in Wien
Wien (dpa) - Alle Sorgen sollten nach Wunsch von Riccardo Muti mit den beschwingt-lieblichen Stücken der Strauß-Dynastie für einen Tag wegdirigiert werden. Der italienische Maestro wollte mit dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker am Montag Schönheit und Leichtigkeit in die Welt tragen.
„Die Probleme kommen dann erst am 2. Januar wieder zurück“, hatte Muti im Vorfeld gesagt. Und der 76-Jährige sollte bei seinem fünften Auftritt am Neujahrstag in Wien recht behalten. Mit einer soliden wie unaufgeregten Aufführung spielte der Stardirigent seinen Können aus. Dies mag auch an der engen Beziehung mit dem Orchester liegen: Seit fast 50 Jahren arbeitet Muti mit den Wiener Philharmonikern zusammen.
Die Mitglieder der Familie Strauß dominierten - wie es die Tradition verlangt - das Programm im prachtvoll dekorierten Goldenen Musikvereinssaal. Den kraftvollen Auftakt machte der Einzugsmarsch aus dem „Zigeunerbaron“ von Johann Strauß Sohn. Ebenfalls gespielt wurden der „Marienwalzer“ von Johann Strauß Vater und die Polka „Eingesendet“ von Josef Strauß. Für sieben der 16 Stücke aus dem Programm war es bei dem Neujahrskonzert eine Premiere. Der Militärkapellmeister Alfons Czibulka kam mit der „Stephanie-Gavotte“ überhaupt zum ersten Mal vor. Die Komposition entstand eigens zur Verlobung von Prinzessin Stephanie mit Kronprinz Rudolf im Jahr 1880.
Bei Johann Strauß Sohns „Geschichten aus dem Wienerwald“ setzt Muti auf österreichische Traditionskunst. Mit einem Zither-Solo wurden die Zuschauer in die Zeit der Monarchie entführt.
Obligatorische Zugaben des Konzerts bildeten Klassiker: Das prominent besetzte Publikum lauschte dem Donauwalzer, der bei den Proben besonders viel Aufmerksamkeit bekam, und klatschte zum Radetzky-Marsch. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz lud seinen niederländischen Amtskollegen Mark Rutte für das traditionelle „Prosit Neujahr“ des Orchesters ein. Bundespräsident Alexander Van der Bellen kam gemeinsam mit der estnischen Präsidentin Kersti Kaljulaid und ihrem bulgarischen Amtskollegen Rumen Radew.
Geschmückt war der Goldene Saal mit 30 000 Blüten von Rosen, Amaryllis oder Orchideen. Mit Nelken und Lilien wollten die Verantwortlichen zudem der italienischen Heimat Mutis huldigen. Die Dekoration war in dezentem Pastell gehalten: Es dominierten die Farben Rosa, Pastellorange und Frischgrün.
Das klassische Musikgroßereignis wurde schätzungsweise von 50 Millionen Menschen weltweit verfolgt. 94 Länder übertrugen das Konzert. Der gut halbstündige Pausenfilm des ORF war eine musikalische Hommage an die Kunstepoche und deren wichtigste Vertreter vor exakt einem Jahrhundert. Unter dem Titel „Wiener Moderne 1918 - 2018“ ging es um den Architekten Otto Wagner sowie die Maler Gustav Klimt, Egon Schiele und Koloman Moser, deren 100. Todestag sich jährt. Die Choreographie der aufgezeichneten Einlagen des Wiener Staatsballetts stammten von Davide Bombana.
Ob Muti nochmals ein Neujahrskonzert leiten wird, ließ er offen. Als gebürtiger Neapolitaner wolle er das Schicksal nicht herausfordern. Er plane jedenfalls, künftig seiner Familie mehr Aufmerksamkeit zu widmen. „Bevor ich in den Himmel, ach, ich meinte zur Hölle fahre, möchte ich noch ein wenig Zeit mit meinen Enkeln verbringen“, hatte Muti im Vorfeld gesagt und gelacht. Diesmal nahm er Mitglieder seiner Familie nach Wien mit. Diese lauschten im kleinen Kreis ebenso wie der Wiener Staatsoperndirektor, Dominique Meyer, oder der Intendant der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, schon den Proben des Maestros.
Muti fand seine Rolle ohnehin überbewertet und streute den Musikern nochmals Rosen: Das Orchester sei so gut, dass es eigentlich gar keinen Dirigenten brauche. Die Wiener Philharmoniker gingen aber auf Nummer sicher und verkündeten, dass der deutsche Dirigent Christian Thielemann im kommenden Jahr das Neujahrskonzert erstmals leiten werde.