„Electric Hotel“ lädt Handys auf Festivals

Kassel (dpa) - Strampeln für Facebook: Wie viel Energie so ein Smartphone verbraucht, merken viele Menschen erst, wenn sie dafür auf einem Fahrrad ihren Strom „erfahren“. „Wenn Jüngere auf Festivals mit dem Smartphone unterwegs sind, merken sie, dass Elektrizität nicht überall verfügbar ist“, sagt Sebastian Fleiter, Erfinder des Electric Hotels.

„Die Menschen telefonieren ja nicht nur, sondern nutzen auch Facebook und Twitter.“

Aber wo soll man Handys aufladen, wenn man für ein langes Wochenende auf einem Musikfestival ist? Das Zelt zum Übernachten hat keinen Anschluss. „Das Thema Strom für Besucher ist vernachlässigt worden. Da rumorte es in mir“, erzählt Fleiter. Und so erfand der 41-Jährige die mobile und mit Solarstrom betriebene Ladestation. Rund 250 000 Euro hat er nach eigenen Angaben investiert - unter anderem mit Sponsoren und Fördergeld.

Und so funktioniert das Electric Hotel: Festivalbesucher geben ihr Handy an der „Rezeption“ ab. Die Geräte werden in ein eigenes Fach gelegt, das Laden kostet zwei Euro pro Stunde. Zuvor kann am „Checkpoint Charging“ geprüft werden, ob die Anschlüsse passen und das Gerät auch lädt.

Es geht aber auch kostenlos: Neben dem Electric Hotel steht ein Fahrrad, mit dem Strom selbst erzeugt werden kann - und zwar für andere. „Der, der auf dem Rad sitzt, lädt Handys der anderen auf. Das ist der Held für alle. Auf großen Festivals steht das Rad gar nicht still“, erzählt Fleiter.

Über eine Anlage auf dem Dach wird der Wind genutzt, zudem ist für die gerade begonnene Festivalsaison ein Pumpspeicher-Wasserkraftwerk im Miniformat mit Wassertanks und ausgemusterten Feuerwehrpumpen dazu gekommen. Dort können die Besucher Wasser mit Muskelkraft nach oben pumpen, über kleine Turbinen wird dann Strom erzeugt, wenn es wieder nach unten fließt. „Das geht auf die Arme, und es kommt wenig Strom dabei raus“, sagt Fleiter. Es gehe aber nicht um Effizienz, betont er. „Wichtig ist das Bewusstsein, dass man Sachen verbraucht.“

„Das Laden hat Erlebnischarakter und ein hohes Maß an Unterhaltung“, betont der Medienkünstler. Rund 400 Mobiltelefone können gleichzeitig geladen werden. Mit einem über 50 Jahre alten amerikanischen, silberglänzenden Wohnwagen tingelt Fleiter über die Festivals der Republik, um aus Sonne, Wind und Muskelkraft Strom für Handys zu machen.

„Das ist eine Win-Win-Situation“, sagt Alexander Feyertag vom Open Flair Festival im nordhessischen Eschwege, das 2011 eine der ersten Stationen für das Electric Hotel war. Für die Besucher sei es ein toller Service. „Jeder ist mobil unterwegs und braucht Strom.“ Zudem sei für die Besucher die Stromerzeugung „physisch erlebbar“. Für Festivalveranstalter trage das nachhaltige Konzept zu einem positiven Image bei.

Vor einem Jahr - beim Melt 2011 - war das Electric Hotel erstmals bei einem Festival. „Da standen plötzlich 250 Leute davor. Die Leute haben zwei Stunden angestanden, um ihr Handy zu laden“, erzählt Fleiter.

Am kommenden Wochenende (13. bis 15. Juli) geht es auf eine fünfwöchige Tour quer durch die Republik - unter anderem zum riesigen Heavy-Metal-Festival in Wacken (Schleswig-Holstein). Doch auch an die Wintermonate ist gedacht. „Messen sind ein zweites Standbein“, erzählt Fleiter. Dazu soll eine Heizung in den Airstream-Trailer eingebaut werden. 2013 will Fleiter mit dem Electric Hotel dann auch erstmals auf internationalen Festivals Station machen.