Gedenktafel erinnert an Bowies Berliner „Helden“-Jahre

Berlin (dpa) - Besonders groß ist sie nicht, die blendend weiße Porzellanplatte auf der grau getünchten Wand des Hauses Hauptstraße 155. Dabei wohnte hier, im Stadtteil Schöneberg, von 1976 bis 1978 David Bowie - „der berühmteste Zugezogene Berlins“, wie sein Biograf Tobias Rüther sagt.

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Für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), der zurzeit im Wahlkampf sicher unangenehmere Termine hat als die offizielle Enthüllung einer Gedenktafel, ist ganz klar: „David Bowie gehört zu Berlin, David Bowie gehört zu uns.“ Die Hauptstadt arbeitet daran, Teil eines womöglich lukrativen Popkults zu werden.

Der Menschenandrang am Montagvormittag erinnert ein wenig an die Tage nach Bowies schockierendem Krebstod vom 10. Januar. Damals legten Tausende Fans vor dem unscheinbaren Berliner Gebäude Blumen und kleine Geschenke ab, sie gedachten des nur zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag gestorbenen Superstars, bejubelten sein Genie, weinten.

Schon davor gab es geführte Touren, die an „Bowies Berliner Jahre“ erinnerten. Man kennt das ja - von Liverpools Penny Lane oder Londons Abbey Road auf den Spuren der Beatles, vom Pariser Friedhof Père Lachaise mit dem Grab des Doors-Sängers Jim Morrison, vom New Yorker Dakota Building, vor dem 1980 John Lennon erschossen wurde, von der Elvis-Presley-Pilgerstätte in Memphis. Jährlich 600 000 Besucher kommen Jahr für Jahr allein zum Presley-Gedenken nach Tennessee - davon ist die deutsche Hauptstadt noch ein gutes Stück entfernt.

Doch es ist schon eine besondere Geschichte zwischen Berlin und Bowie. Hier entwarf der weltweit gefeierte Musiker in der relativen Abgeschiedenheit der geteilten Stadt ab 1976 die Alben „Low“, „Heroes“ und „Lodger“. Zum Teil nahm er die Songs zusammen mit avantgardistisch aufgeschlossenen Kollegen wie Brian Eno und Robert Fripp sowie dem Berliner Toningenieur Eduard Meyer („Ich werde ihn niemals vergessen und sein Andenken immer ehren“) nahe der Mauer in den Hansa-Studios auf. Die als „Berliner Trilogie“ berühmten Platten gelten wegen ihrer futuristischen Klangästhetik als Schlüsselwerke moderner Popmusik - bis heute.

Nicht umsonst war die Hauptstraße 155 vor sieben Monaten neben Bowies Geburtsstadt London und der Wahlheimat New York ein „Hotspot“ der Trauer. Sogar die Regel, dass Gedenktafeln in Berlin erst fünf Jahre nach dem Tod eines Prominenten anzubringen sind, wurde für den Briten außer Kraft gesetzt. Man habe keinerlei Bedenkzeit mehr gebraucht, ob Bowie wirklich dauerhaft Prägendes für Berlin geschaffen hat, sagt Regierungschef Müller: „Bei David Bowie sind wir uns sicher.“

Sein Biograf Rüther („Helden: David Bowie und Berlin“, 2008) muss nur auf „Heroes“/„Helden“ verweisen - einer der berühmtesten Bowie-Songs und „der einzige wichtige Pophit, der von der Mauer handelt“. Allzu oft sei der Musiker wegen seiner Tourneen und Filmprojekte gar nicht in der Kalter-Krieg-Frontstadt gewesen - zusammengenommen nur einige Monate. Aber die waren prägend für Bowie, sie verschafften ihm innere Ruhe, lösten ihn von den Drogen (ausgerechnet in der damaligen Heroin-Metropole!), förderten enorme Kreativität zutage.

Bowie und Berlin, das sei „das Symbol eines persönlichen Aufbruchs“, sagt Rüther noch. „We can be heroes, just for one day“ - diese aufmunternde Textzeile aus düsteren Zeiten in den 70er Jahren ist nun auch auf der Porzellantafel an der Hauptstraße 155 zu lesen. Der „Meistersaal“ der Hansa-Studios, das Schöneberger Café „Neues Ufer“ (vor 40 Jahren „Anderes Ufer“), auch der 2013 im Nostalgiesong „Where Are We Now?“ von Bowie besungene Potsdamer Platz, das Kaufhaus KaDeWe oder die Bösebrücke sind weitere potenzielle Kult-Orte für Fans.