Gilbert O'Sullivan: Eine lohnende Wiederentdeckung
Berlin (dpa) - Es gilt eine Wiederentdeckung zu feiern - und irgendwie auch Abbitte zu leisten: Der irische Sänger und Pianist Gilbert O'Sullivan wird jetzt mit einer vorbildlichen Hit-Sammlung und einer ganzen Reihe von Neuveröffentlichungen seiner klassischen Pop-Alben geehrt.
Wiederentdeckung - weil die manchmal sentimentalen, aber nie peinlichen Lieder des heute 65-jährigen Künstlers viel zu lange aus den Radioprogrammen verschwunden waren und nun endlich wieder häufiger zu hören sein sollten. Abbitte - weil Gilbert O'Sullivans warmherzige Harmonien und Texte allzu oft als Kitsch missverstanden wurden.
Schon klar, der Singer/Songwriter mit dem Wuschelkopf war ein Mann der leichten Muse, sein Geschäft war immer Pop in Reinkultur. Aber hallo - diese prächtigen Melodien, diese traurig-schönen oder auch überschäumend fröhlichen Lyrics! Schon sein Debüt-Hit „Nothing Rhymed“ (1970) vom jetzt in feiner Aufmachung neu veröffentlichten Album „Himself“ ließ den großen Komponisten mehr als nur erahnen.
Die frühen 70er Jahre wurden die große Zeit des Mannes aus Waterford, der 1967 ins swingende London gezogen, aber zunächst erfolglos geblieben war. Auf der aktuellen „Very Best“-Sammlung „Gilbert O'Sullivan - A Singer And His Songs“ (Salvo/Union Square/Soulfood) stechen Balladen wie der Nummer-1-Song „Clair“ oder das berührende „Alone Again (Naturally)“ hervor.
Solch fabelhafte Lieder würden auch Klavier-Melancholikern wie Billy Joel, Randy Newman oder Ben Folds Ehre machen würden. Das beschwingte „Matrimony“ dürfte auf Ewigkeit für gute Laune bei jedem sorgen, der das treibende Piano-Riff und das opulenten Streicher-/Bläser-Arrangement hinter O'Sullivans typisch nasaler Stimme hört. Ähnlich ergeht es Pop-Fans bis heute mit dem unwiderstehlich leichtgewichtigen „Ooh-Wakka-Doo-Wakka-Day“.
Nach seinem überragenden Uptempo-Hit „Get Down“ (1973) bekam die auch in den USA und Deutschland erfolgreiche Karriere des sympathischen Iren jedoch plötzlich Schlagseite. Songs wie das groovende „Ooh Baby“(1973) oder das arg simple „I Don't Love You (But I Think I Like You)“ verzauberten schon nicht mehr so wie die nostalgisch gestimmten Singalong-Bomben der Vorjahre.
Ab Mitte der 70er Jahre und erst recht mit dem fünften Album „Southpaw“ (1977) verschwand O'Sullivan immer mehr in der Versenkung. Angesichts radikal wechselnder musikalischer Moden (Stichwort: Punk) wurde sein Werk von vielen als schnulzig-seichte Cocktailbar-Berieselung abgetan.
Mit „What's In A Kiss“ (1979) gelang dem Iren nochmal ein Top-20-Hit, und er blieb als Album-Künstler aktiv, allerdings mit qualitativen Schwankungen. Der synthie-lastige Bombast-Rocker „At The Very Mention Of Your Name“ zum Beispiel macht O'Sullivans seinerzeit schlechten Ruf sogar nachvollziehbar.
Sein x-tes Comeback mit dem Album „Gilbertville“ (2011) inklusive toller Lieder wie „Taking A Chance“ oder „All They Wanted To Say“ erhielt dann in Großbritannien wieder sehr gute Kritiken, und es kam zur Neubewertung des Singer/Songwriters. Nun also das üppige Wiederveröffentlichungsprogramm des Repertoire-Labels Union Square.
Man kann es ihm nur gönnen, dass sein Werk mit der Best-Of-CD (22 Tracks) und den erweiterten Neuauflagen von 13 seiner Original-Alben rehabilitiert wird - gut 40 Jahre nach dem großen Durchbruch. Seine Songs sind oft gecovert worden, von Elton John, Nina Simone, Tom Jones oder den Pet Shop Boys, und selbst der große Nörgler Morrissey lieferte bei einem Konzert in Dublin seine Version von „Nothing Rhymed“ ab. Gilbert O'Sullivan: Ein verdienter Pop-Künstler ist zur Wiederentdeckung freigegeben.