Howard Carpendale: Ein Leben nach der Hitparade

Howard Carpendale über schmalzige Musik, das Jungbleiben und warum er auf der Bühne keine Witze mehr erzählen will.

Düsseldorf. Große Töne sind nicht Sache von Howard Carpendale: Mag der gebürtige Südafrikaner auch zu den erfolgreichsten Sängern in Deutschland gehören — von der selbstverliebten Überheblichkeit mancher Kollegen ist der 65-Jährige weit entfernt. „Nimm meine Texte bitte nicht so ernst“, meint der Entertainer nur augenzwinkernd mit Blick auf sein aktuelles Album „Das Alles bin ich“.

Herr Carpendale, ärgert es Sie da, dass im Zusammenhang mit Ihrem Namen bis heute das Attribut „Schlagersänger“ fällt?

Howard Carpendale: Das lese ich bei meinem Kollegen Udo Jürgens auch sehr oft — nein, es ärgert mich nicht mehr, denn es ist Unwissen. Was ist denn ein Schlager, wie definiert sich der?

Schlager haben viel mit einer vermeintlich „heilen Welt“ zu tun — ein Begriff, der im Zusammenhang mit anderer Popmusik nicht verwendet wird.

Carpendale: Aber warum gilt das dann nicht für englischsprachige Musik? Was ein Elton John — den ich sehr schätze — oder ein Lionel Richie singen, ist zehnmal schnulziger als das, was ich singe! Man kann doch nicht sagen, ich verstehe die andere Sprache nicht, also ist englischsprachige Musik Pop und nicht Schlager.

Wie würden Sie denn den Begriff Schlager definieren?

Carpendale: Schlagersänger klingen alle gleich — die phrasieren alle gleich, singen alle genau auf dem Beat, nämlich auf die Zählzeiten eins und drei, auf die 80 Prozent der Menschen klatschen. Und da fühle ich mich nicht angesprochen, denn ich achte darauf, dass jede Zeile anders klingt. Auch wenn das andere natürlich noch viel besser können als ich, schließlich bin ich kein Vollblutmusiker: Ich bin ein Sportler, der singen muss, um Geld zu verdienen (lacht).

Ihrer künstlerischen Leistung wird ja durchaus Respekt entgegen gebracht. . .

Carpendale: . . . was mich tierisch freut, denn als ich ein Schlagersänger war, gab es diesen Respekt nicht. Doch inzwischen sind die Menschen bereit zu sagen: „Auch wenn es nicht mein Ding ist, was er macht — Respekt habe ich schon, denn 45 Jahre sich in dieser Branche zu halten, ist unendlich schwer.“ Das haben nur Maffay und Jürgens neben mir geschafft — und die hatten es leichter.

Wieso?

Carpendale: Die kamen nicht aus dem Kern der ZDF-Hitparade: Das ist eigentlich der Tod für einen jeden Künstler — und ich war dort die Nummer 1, hatte die meisten Auftritte in der Hitparade. Aber ich habe es überlebt, mich verändert und meinen durchaus erfolgreichen Weg gefunden — und darauf bin ich schon ein wenig stolz, auch wenn ich das Wort Stolz sonst ablehne.

Sie stehen auch mit 65 Jahren noch auf der Bühne. Was hält Sie jung?

Carpendale: Die Musikbranche wie auch meine Söhne halten mich jung und auch meine Frau: Wir lachen über bescheuerte Dinge, es gibt keine Routine — ich nenne sie mein „girlfriend“ und sie nennt mich ihren „boyfriend“. Ich habe bis heute eine kindliche Seite in mir bewahrt — keine naive Seite —, lache gern über mich selbst und bringe auch andere Menschen gern zum Lachen.

Wenn Sie jetzt nach fünf Jahrzehnten auf der Bühne wieder auf Tournee gehen, fällt Ihnen da wirklich noch etwas Neues ein?

Carpendale: Meist gelingt das schon — und wenn nicht, dann gibt es das gleiche Geschenk in einer neuen Verpackung (lacht).

Aber gibt es in der Show wirklich noch Neues?

Carpendale: Ich werde etwa keine Witze mehr erzählen, was mir eh langsam auf den Keks geht, sondern Anekdoten. Geschichten, über die man schmunzeln kann — und für diese werde ich auch selbst ins Publikum gehen, um dieses intime Gefühl zu vermitteln. Und so werden die meisten sagen: Es war wieder ganz, ganz anders. Es ist die gleiche Kunst wie im Zirkus: Der Salto mortale ist immer der gleiche, aber man muss ihn anders verpacken.